Wettbewerb-Weihnachts- und Neujahrsgrüße

Wettbewerb-Weihnachts- und Neujahrsgrüße

Wettbewerb- Weihnachts- und Neujahrsgrüße

Der NEUE Wettbewerb „Aus meinem Atelier“ Weihnachts- und Neujahrsgrüße, kann mit freundlicher Unterstützung der Stadt Wilthen und der Keramikkünstlerin Kerstin Fuchs erstmals auch prämiert werden. Für das Sponsoring möchte sich das Team von oberlausitz-art herzlichst bedanken.

Die Stadt Wilthen stellt einen der beliebten Pumphut-Räuchermänner  als Preis in der Kategorie der Schüler zur Verfügung. Das  Pumphut-Preis-Paket  wird zudem auch von Holzkünstler Jürgen Spottke „Der Holzer“, mit einem Pumphutbuch ergänzt. Dieses beinhaltet Geschichten rund um den Hexenmeister der Oberlausitz. Das Buch, im Original in Oberlausitzer Mundart,  wurde von Jürgen Spottke ins Hochdeutsche übersetzt und mit kleinen Illustrationen versehen.

Kunstkeramikerin Kerstin Fuchs übergab oberlausitz-art ein liebevoll gestaltetes Häuschen, verwendbar als Räucherhäuschen, mit Keramiktanne im „Vorgarten“. Daraus duftet es nicht nur zur Winterzeit. Es ist auch ein absoluter Blickfang, den man das ganze Jahr nicht missen möchte.

Wer noch weitere Werke von Frau Fuchs sehen will, der schaut ganz einfach auf Ihre Plattform bei oberlausitz-art, Rubrik Künstler. Oder aber Sie besuchen Frau Fuchs in Ihrer Werkstatt in Steina. Dort werden Keramikliebhaber mit Sicherheit fündig. Aber nehmen Sie sich etwas Zeit mit. Ich verspreche, die Entscheidung wird bei diesem tollen, vielfältigen Angebot schwierig.

Kürbisrote Rache – Teil 2

Kürbisrote Rache – Teil 2

Sie spürte Johannes‘ glühende Augen auf ihrem Gesicht ruhen. Die ersten Schweißtropfen fanden ihren Weg den Rücken hinunter. Vorsichtig drehte sie sich ihm zu. Nur so weit, dass sie ihn gerade so anschauen konnte. Seine Augen wurden schmaler. Er schien nach einer Antwort zu suchen, dessen Frage er noch nicht einmal genau wusste. Sie musste sich etwas einfallen lassen, bevor er dahinter kam.

»Wie wäre es jetzt mit einem Glas Champagner zur Einstimmung, bevor wir uns daran machen, die Selleriecreme mit Nuss-Croûtons zu zaubern?«, fragte sie laut mit erzwungener Fröhlichkeit. Dabei legte sie ihren Kopf an Johannes‘ Schulter ab. Auch wenn ihr das erneut einen Rückenschauer einbrachte. An der aufgesetzten Zustimmung der Freunde erkannte sie deren Erleichterung, der Situation entkommen zu sein.

Sie fühlte unauffällig nach dem kleinen Fläschchen in ihrer Kostümjacke. Die täglichen Übungen der letzten Wochen, einhändig den Deckel der Flasche zu lösen und in Windeseile gerade so viele Tropfen wie nötig rauszuklopfen, hatten sich ausgezahlt. Kein Mensch würde mitbekommen, wenn diese besondere Würze in Johannes‘ Suppenteller landete. Sie wusste, dass es jetzt kein Zurück mehr für sie geben konnte. Alles war perfekt geplant! Endlich konnte sich ihre Gleichheit einmal auszahlen. Das, was sie die ganzen Jahre genervt hatte, benutzte sie jetzt, um alle an der Nase herum zuführen. Dass Johannes nichts bemerkte, ihr Versteckspiel nicht erkannte, ließ sie nur noch entschlossener handeln. Liebevoll streichelte sie noch einmal das Fläschen und trank ihr Champagnerglas in einem Zug leer.

***

Lächelnd lag Anita auf dem bequemen Bett. Sie hatte die Augen geschlossen und genoss die letzten warmen Sonnenstrahlen des Tages auf ihrer Haut. Wenn sich das Leben doch immer so leicht anfühlen würde wie in ihrem Traum. Alles war hell und freundlich und sie hatte das Gefühl, sie könnte fliegen.

Aber die Wirklichkeit war anders. Im wahren Leben steckte sie in einem engen Korsett von Verpflichtungen und Erwartungen. Jeder wollte etwas von ihr und sie blieb dabei schon lange auf der Strecke. Sie wusste, dass sie sich in guter Gesellschaft befand. Viele Frauen klagten über die Mehrfachbelastungen. Also, wozu sollte sie jammern? Wenn Johannes doch wenigstens ein bisschen netter zu ihr wäre. Aber er hatte sich schon lange auf und davon gemacht. Liebevolle Gefühle gab es keine mehr. Nur noch Hass! Diese ständigen Sticheleien von ihm hatten ihr allmählich jegliches Selbstwertgefühl genommen. Er hat es sogar geschafft, dass selbst die Kinder nur noch wenig Respekt vor ihr hatten. Auch wenn sie das nicht immer wollten. Aber sie wollten es ihrem Vater recht machen. Also durften sie ihre Mutter nicht lieben. Und als ob das nicht schon genug Demütigung wäre, hatte er vor ein paar Wochen beschlossen, sich offiziell zu seiner neuen Liebschaft zu bekennen. Nicht, dass er zu ihr ziehen wollte. Er hatte eher an ein Pendeln zwischen den beiden Welten gedacht. Spaß und Sex auf der einen Seite, Verantwortung für die Kinder auf der anderen.

Anita spürte die Wärme der Sonne nicht mehr. Grimmig schlug sie die Augen auf. Sie konnte sich genau an den Moment erinnern, an dem sie diese erniedrigende Geschichte ihrer Zwillingsschwester Talea erzählt hatte. Talea war anders als sie. Sie hatte ihr Leben im Griff. Und wahrscheinlich hatte Talea immer das Gefühl, sich um sie kümmern zu müssen. Das musste sie auch oft, denn die letzten Jahre ging alles bergab. Sie wurde von einer attraktiven, erfolgreichen Frau zu einem Nichts. Für Talea war mit Johannes‘ Ankündigung seiner offenen Liebschaft das Maß voll. Übervoll! Wütend hatte sie Anita aufgefordert, sich zu trennen. Sofort! Aber das ging nicht. Die Kinder wollten bei Papa bleiben. Und sie bei den Kindern.

Das Blitzen in Taleas Augen hatte Anita Angst eingejagt. Auch wenn sie sich äußerlich bis auf’s Haar glichen, war Talea doch wesentlich entschlussfreudiger.

Anita stöhnte. Sie musste sich wieder ihrem Alltag zuwenden. Was stand heute nochmal auf dem Programm? Die Kinder? Schliefen heute bei Freunden. Warum eigentlich? Anita hatte das Gefühl, etwas Wichtiges vergessen zu haben. Und warum war ihr Gehirn eigentlich so träge? Das erlaubte sie sich doch sonst nicht tagsüber.

Fieberhaft suchte sie nach der Antwort. Sie ließ den Tag in Gedanken vorüberziehen. Mit einem Ruck war sie hellwach. Talea war spontan am Nachmittag vorbeigekommen. Mit fadenscheinigen Argumenten hatte sie duschen, sich ein Kleid ausleihen und Anitas Lieblingsfrisur gesteckt bekommen wollen. Wo Anita sich doch selbst herrichten musste. Schließlich war heute der von ihr organisierte Kochkurs. Und das wusste Talea. Mit jähem Entsetzen wollte Anita aufspringen. Erst jetzt spürte sie, dass ihre Arme und Beine am Bett fixiert waren. Nicht fest, aber auch nicht zu lösen. Was war hier los? Was hatte Talea vor? Panisch schaute sie sich um und erkannte, dass sie nichts tun konnte. Deshalb wollte Talea sogar ihr Parfüm benutzen und hatte sie nach all ihren Freunden ausgefragt. Sie schaute auf die Uhr, die auf dem Sideboard stand. Kurz vor acht. Der Kochkurs war schon eine Stunde im Gange und Johannes hatte sich nicht bei ihr gemeldet. Das konnte nur eines bedeuten! Erschöpft ließ sie sich in ihr Kissen sinken.

Anita spürte ihren Herzschlag gleichmäßiger pulsieren. Ihre Gedanken kamen zur Ruhe. Sie schloss ihre Augen wieder. Ein kleines Licht erschien. Wo? Im Herzen? Konnte das Hoffnung sein? Hoffnung auf ein neues Leben? Auf ein Leben ohne Demütigungen?

Sie vertraute Talea. Schließlich wusste ihre Schwester schon immer, was das Beste für sie war. Und wie sie schon viele Dinge geregelt hatte, würde sie auch diesmal Anita unter die Arme greifen. Und sei es, um ihr das Leben zu retten.

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Kürbisrote Rache – Teil 1

Kürbisrote Rache – Teil 1

kürbisrote RacheEilig wischte sie sich die Hände an einem Taschentuch ab und warf es auf die Rückbank des Autos.

Ein prüfender Blick in den Spiegel verriet ihr, dass die Hochsteckfrisur noch immer perfekt saß und das aufwändige Make-up keine unangenehmen Spuren auf ihrem Gesicht hinterlassen hatte. Kurz hielt sie inne. Die Entschlossenheit in ihren Augen ließ selbst sie frösteln. Energisch wandte sie sich ab. Seit Wochen schon konnte sie an nichts anderes mehr denken. Dieser Abend würde ihr Leben verändern. Und nicht nur ihres. Fragte sich nur, in welche Richtung.

Sie schaute auf die Uhr. Ihr blieben noch 10 Minuten Zeit, um sich in den Feierabendverkehr einzureihen. Wie gern würde sie jetzt eine Zigarette rauchen. Aber das würde sie sofort verraten. Sie hoffte sowieso schon inständig, dass das geliehene Parfüm von ihren körpereigenen Gerüchen ablenken würde.

Noch einmal sah sie zum hinteren Teil des Hauses, neben dem sie den Wagen geparkt hatte. Alles war ruhig und würde es auch hoffentlich für die nächsten Stunden bleiben. Danach würde ihr schon eine Ausrede einfallen. Einfallen müssen!

Sie startete den Motor des Kleinwagens, der viel zu laut aufheulte. Erschrocken nahm sie den Fuß vom Gaspedal. Sie musste mehr Gefühl entwickeln. Souveräner wirken. Langsam ließ sie die Kupplung kommen. Das Auto rollte sacht aus der Parkbucht. Sie zog die kalte Winterluft tief in ihre Lungen, um sie dann kontrolliert wieder herausfließen zu lassen. Ein Gefühl von friedvoller Ruhe durchströmte ihren Körper. Sie war auf dem Weg! Endlich!

***

Johannes nahm die letzten Stufen mit schwungvollen Schritten. Er freute sich auf den Abend im Kreise seiner Freunde. Die Idee, einen gemeinsamen Kochkurs zu besuchen, hatte Anita gehabt. Ausgerechnet seine Frau. Wobei, gerade sie konnte den Kurs gut gebrauchen. Seitdem die Kinder auf der Welt waren, kam zwar jeden Tag frisch Gekochtes auf den Tisch, aber alles ohne Pfiff. Als ob es so schwer wäre, ein paar kleine Besonderheiten vom Markt mitzubringen, diese abwechslungsreich zuzubereiten und schön anzurichten.

Vor allem, seitdem die Kinder nun wirklich aus dem Gröbsten raus waren. Julian ging schon aufs Gymnasium und Elin in die dritte Klasse. Die konnten sich doch schon prima selbst um ihre Sachen kümmern. Aber nein, ständig jammerte Anita. Vormittags arbeiten, dann schnell kochen, mit Elin die Hausaufgaben machen, Julian zum Lernen und Handy weglegen animieren und dann noch die Wäsche und der Haushalt. Als ob er nichts zu tun hatte. Schließlich war er oft 10 Stunden im Büro und hatte danach wirklich keinen Nerv mehr, Vokabeln abzufragen oder sich das Gejammer seiner Frau anzuhören. Der Tag mit den Kindern war ihr Job. Er brachte das Geld heim.
Wie zur Bestätigung nickte er, fuhr sich mit der Hand durch das dichte, lockige Haar und öffnete die Tür zur Kochschule.

***

Mit klopfendem Herzen stand sie zwischen den Freunden und versuchte, den Gesprächen zu folgen. In Gedanken ging sie noch einmal jeden einzelnen Namen und dazugehörigen Lebenslauf durch.
»Anita, was meinst du? Ist eine Hochzeitsreise auf die Malediven nun zu elitär oder doch schon wieder out? Marianna und ich können uns einfach nicht einigen.« Der Mann, der sie angesprochen hatte, hieß Konstantin, war groß, blond und extrem gut aussehend. Wie fast alle hier im Raum. Die Reichen und Schönen. Konstantin legte zärtlich seinen Arm um Marianna und schaute sie erwartungsvoll an.

Die Übelkeit, die von ihrem Magen ausgehend aufstieg, setzte in rasender Geschwindigkeit den Speichelfluss in Gang. Sollte sie Konstantin jetzt vor die Füße spucken und ihm ehrlich sagen, was sie von seinem aufgeblasenen Sandstrand-Gequatsche hielt? Dann würde ihre Tarnung sofort auffliegen. Gott, wie sie das hasste. All diese oberflächlichen Pärchen, die sich Freunde nannten und alle mitleidig belächelten, die nicht in ihr betuchtes Schema passten.
Bevor sie sich weiter in Rage denken konnte, schwang die Eingangstür geräuschvoll auf und Johannes trat ein. Ihr blieb fast das Herz stehen. Ruhig atmen! Bitte jetzt keinen Schweißausbruch bekommen! Sie schaute in die fröhlichen Gesichter, die Johannes begrüßten. Jetzt waren sie komplett. Die Show konnte also beginnen. Auch sie setzte ihr schönstes Lächeln auf und hauchte Johannes einen Kuss auf die Wange, die er ihr gnädig hinhielt. Ein Frösteln schob sich über ihren Rücken, bis es die Haarwurzeln erreicht hatte. Automatisch kontrollierte sie mit einer Hand ihre Frisur. Bekam sie jetzt Angst vor ihrer eigenen Courage?

Johannes war neben sie getreten und hatte natürlich sofort das Wort ergriffen. Die Freunde hingen an seinen Lippen. Sie wagte kaum zu atmen. Sie musste zuhören, Smalltalk führen, mitlachen. Aber die Aggression bahnte sich ihren Weg zurück. Sie konnte nur noch an eines denken.
»Es freut mich, dass ihr so zahlreich erschienen seid«, begann Johannes. »Ich staune, wie viele von euch Nachhilfe beim Kochen benötigen.«
Schallendes Gelächter brach aus, wenngleich auch der eine oder andere unsichere weibliche Blick ausgetauscht wurde.
»Na ja, es war ja auch Anitas Idee. Und von ihren Kochkünsten konntet ihr euch schon alle selbst überzeugen.« Bei dem Wort Kochkünsten malte er Gänsefüßchen in die Luft und legte anschließend seinen Arm um sie. Von Zärtlichkeit keine Spur. Das künstliche Gelächter der anderen klang eher peinlich berührt. Keiner wagte eine Widerrede. Johannes konnte sich alles erlauben. Verbale Entgleisungen, Beleidigungen, ja sogar vereinzelte Prügeleien. Er hatte die meiste Kohle, fuhr die teuersten Autos. Er war der heimliche Boss dieser Schickimicki Clique.

Sie versuchte vergeblich, sich aus seiner Umklammerung zu lösen. Sie hatte nicht geplant, ihn so nah ranzulassen. Ihre Gedanken fuhren Achterbahn. Hatte sie die richtige Dosis des Parfüms aufgelegt? Saßen ihre Haare noch im festen Knoten? War ihre Wimperntusche noch dort, wo sie hingehörte? Sie wusste, wie wichtig Johannes all diese Dinge waren. Und wie fehl am Platz sie sich vorkam.

Künstler für Künstler – Elisabeth Harwart

Künstler für Künstler – Elisabeth Harwart

HZO Ausstellung HarwartLiebes Oberlausitz-Art-Team,

als ich 2016 von Berlin in die Oberlausitz zog, wollte ich mich über die Künstler- und Kulturszene in meiner neuen Heimat informieren. Dabei stieß ich im Internet sehr schnell auf die Oberlausitz-Art Seite.
Dort bot sich mir ein guter Überblick über die hier ansässigen Künstler mit ihren Werken und so fand ich auch meinen Weg in die Löbauer Ortsgruppe des Kunstvereines.
Durch den Kunstwettbewerb, der über die Oberlausitz-Art Plattform stattfindet, konnte ich meine erste Ausstellung in der Oberlausitz im HZO Wilthen zeigen. Das alles wäre sonst nicht so schnell passiert.
Die Repräsentation und Vernetzung der Künstler im Internet ist hilfreich für den ländlichen Raum und beschleunigt die Entwicklung der Kultur und den Zugang dazu durch ein Publikum ungemein. Ich hoffe, das Oberlausitz-Art als Forum für die Kultur in der Oberlausitz weiterwächst. Die Unterstützung und Anerkennung durch die Gemeinden und Politik in der Region sollten im eigenen Interesse mitwachsen, denn euer Ansatz funktioniert. Ich danke euch von Herzen dafür. Bitte macht weiter so.

Elisabeth Harwart

Humboldt und der letzte Lauf – Kapitel 1

Humboldt und der letzte Lauf – Kapitel 1

Hotel Dreiländereck Zittau
Premierenlesung aus „Humboldt und der letzte Lauf“
30. September 2021
Humboldt und der letzte Lauf
Kapitel 1

„Auf geht’s, Bernd! Du hast es gleich geschafft!“, hörte Humboldt Christin rufen.

Er musste sich ein Grinsen verkneifen. Niemals hätte er gedacht, dass sie so ehrgeizig sein konnte. Obwohl, wenn er es sich recht überlegte, dann führte sie auch ihre Arbeit als Journalistin mit großem Engagement aus. Nur wenn sie gemeinsam klettern oder wandern gingen, wirkte sie immer sehr entspannt. Aber dieser Teamwettbewerb zeigte ihm ungeahnte Seiten an ihr. Seit sie sich im Frühjahr bei der O-See-Challenge, einem Cross-Triathlon direkt am Olbersdorfer See, angemeldet hatten, hatte sie oft im Hallenbad und später im See trainiert. Für ihn dagegen sollte das eigentlich eine nette Abwechslung von seinem stressigen Alltag sein und keine solche Dimension annehmen. Auch den Dritten im Bunde hatte sie schon bald infiziert. Bernd war der Mann ihrer besten Freundin Andrea und ein mäßig ambitionierter Hobbyradler. Allerdings trat er seit Christins Ansage nun auch fast täglich in die Pedale.
„Hau rein!“, hörte er plötzlich eine Männerstimme hinter sich. Danach klatschte etwas auf seinen Rücken und schob ihn an. Jetzt hätte er doch beinahe seinen Start verpasst. Gut, dass Bernd ziemlich fertig zu sein schien, so blieb ihm Humboldts Träumerei verborgen. Sein Mannschaftskollege war ein paar Meter weiter stehen geblieben und keuchte. Trotzdem schaffte er es noch, ihn anzufeuern.
Also, dann mal los, dachte Humboldt und nahm die ersten Meter mit großen Schritten. Doch schon beim folgenden Anstieg, der es gleich in sich hatte, spürte er seine Oberschenkel heftig brennen. Hätte er sich doch intensiver aufwärmen und vielleicht den einen oder anderen Plausch weglassen sollen? Aber seitdem er mit Christin häufiger im Zittauer Gebirge unterwegs war, kannte er doch eine Menge Leute. Und wann kam er schon mal dazu, sich so entspannt zu unterhalten? Da musste er jetzt durch.
Die erste Teilstrecke führte bergauf und bergab über hügelige Wiesen, die von Menschenmengen gesäumt waren. Hier konnte er sich keine Blöße geben und jetzt schon schwächeln, obwohl er am liebsten einen Gang rausgenommen und ein bisschen langsamer gelaufen wäre.
„Humboldt, das hab ich schon schneller gesehen!“ Natürlich hörte er Christins Stimme unter allen anderen heraus. Sie war doch nicht wirklich sauer auf ihn? Als er einen Seitenblick wagte, sah er jedoch, dass sie ihn schelmisch angrinste. „Jetzt versau uns nicht die Staffel, sondern gib mal Gas“, legte sie noch nach, dann war er an ihr vorbei. Die anfeuernde Menge verschluckte allmählich ihr Lachen.
Christin hatte den Anfang ihres Teams gebildet und war auf die 1,1 Kilometer lange Schwimmstrecke gegangen. Sie hatte das Wasser in der ersten Verfolgergruppe verlassen und auf Bernd gewechselt, dem 30 Kilometer Mountainbike durchs Gebirge bevorstanden. Noch bis vor ein paar Minuten war Humboldt froh gewesen, den 10- Kilometer-Lauf übernommen zu haben. Schließlich ging er, wenn es die Arbeit zuließ, auch ab und an laufen. Bei seiner Überlegung hatte er nur eine Komponente vergessen: Das Wetter! Als er vorhin kurz auf sein Handy geschaut hatte, zeigte das Display 34 Grad an. Und das spürte er jetzt mit voller Wucht. Mittlerweile hatte er die freie Fläche geschafft und lief jetzt am Campingplatz entlang in den Wald hinein. Hoffentlich wurden die Temperaturen dort ein wenig angenehmer. Wie gut hatten es da die Schwimmer! Und die Mountainbiker konnten wenigstens in der Abfahrt auf etwas Fahrtwind hoffen. Wobei er nicht an die steinigen und mit Wurzeln übersäten Wege denken wollte. Da wiederum kam er zu Fuß besser zurecht.
Allmählich fand Humboldt zu seinem gewohnten Laufrhythmus. Er brauchte diese ganze Aufregung während eines Rennens nicht. Viel lieber genoss er die Ruhe im Wald. Deshalb benutzte er auch nie Kopfhörer, um sich mit Musik volldröhnen zu lassen.
Auf den nächsten Kilometern konnte er richtig Fahrt aufnehmen und sogar den einen oder anderen Läufer überholen. Christin wäre sicher stolz auf ihn. Bei diesem Satz hätte er beinahe angefangen zu lachen. Im letzten Jahr hatte sich einiges verändert in seinem Leben, besonders in seinem Gefühlsleben. Nach einem klärenden Gespräch und einer wundervollen zweiten Nacht hatten sie viel Zeit miteinander verbracht. Entweder waren sie in Dresden oder in Christins Baude in Oybin. Sogar einen kurzen Kletterurlaub in der Fränkischen Schweiz hatten sie unbeschadet überstanden. Nein, obwohl er sich wirklich immer wieder fragte, was Christin an ihm fand und sich nicht hatte vorstellen können, jemals wieder geliebt zu werden, wurde der Begriff „unbeschadet“ der Zeit mit Christin nicht gerecht. Ihre Beziehung beruhte auf viel Respekt und liebevoller Vorsicht. Auch das war zu wenig. Ja, sie liebten sich beide sehr. Aber manchmal eben noch mit angezogener Handbremse. Oder empfand nur er das so?
Humboldt musste sich jetzt konzentrieren. Er passierte gerade eine Stelle, bei der die Läufer auf Steinen balancierend einen schmalen Fluss überqueren mussten. Da er wusste, dass es nun nicht mehr weit bis ins Ziel war, legte er noch einmal einen Zahn zu. Allerdings bereute er das sofort, als er den Wald verlassen hatte und wieder Richtung See lief. Die Sonne brannte unbarmherzig und er spürte einen unbändigen Durst. Vielleicht hätte er an den Verpflegungsstellen zugreifen sollen. Aber da er sonst ja auch immer ohne Trinkflasche laufen ging, war es ihm gar nicht in den Sinn gekommen, die 10 Kilometer nicht ohne Verpflegung überstehen zu können. Das schien sich jetzt zu rächen. Der erste Läufer überholte ihn schon wieder.
Komm schon, dachte Humboldt, den letzten Kilometer schaffst du jetzt auch noch. Noch einmal mobilisierte er alle Kräfte und versuchte, das Durstgefühl zu ignorieren. Auf dem langen Weg, der wenigstens von hohen Bäumen gesäumt war, wäre er am liebsten rechts abgebogen, denn dort lag das Ziel. Allerdings musste er noch eine letzte Schleife laufen, um dann an einem riesigen Schaufelrad, das an vergangene Grubezeiten erinnerte, vorbei einen kleinen Anstieg zu nehmen und dann bergab ins Ziel zu gelangen.
„Ja, Humboldt, das sieht klasse aus! Du hast es bald geschafft! Siehst du den Läufer da vorn? Das müsste Platz 5 sein! Vielleicht kriegst du ihn noch“, brüllte Christin sich durch die Menschenmengen.
Keine Chance, dachte Humboldt. Eher falle ich auf der Stelle um und trinke einen Eimer Wasser leer. Aber dann tat ihm Christin leid und er versuchte, noch einmal zu beschleunigen. Doch auch wenn der Kopf die Befehle dazu gab, die Muskeln in den Beinen hatten schon längst abgeschaltet. Mit letzter Willenskraft schaffte er es bis ins Ziel. Nie wieder würde er sich zu so etwas überreden lassen. Wie gut taten doch da entspannte Klettertouren oder ein Läufchen nach der Arbeit.
„Du bist super gelaufen“, begrüßte ihn Christin, als sie bei ihm ankam. Sie legte ihre Arme um seinen Hals und küsste ihn auf den Mund.
„Wasser oder Bier?“, fragte Bernd, der sich zu ihnen gesellt hatte. Auch Andrea stand nun strahlend bei ihnen.
„In der Reihenfolge“, antwortete Humboldt und kippte den Becher mit Wasser in einem Zug hinunter. Dann schnaufte er kräftig. „Das war so unglaublich heiß, das könnt ihr euch nicht vorstellen.“

Während sie noch gemütlich beisammen saßen und allmählich an den Aufbruch dachten, tippte jemand von hinten auf Humboldts Schulter. Er schnellte herum und schaute in das verschwitzte Gesicht eines Polizeibeamten.
„Herr Humboldt?“, fragte er. Etwas Gehetztes lag in seinen Augen.
„Ja?“, fragte Humboldt und stand auf.
„Gut, dass Sie noch da sind. Wir haben einen toten Wettkämpfer auf dem Hochwald. Ich habe Sie schon die ganze Zeit versucht anzurufen, aber bei dem Lärm werden Sie es nicht gehört haben.“
Fast hätte Humboldt als erste Reaktion sein Handy gecheckt, aber es war jetzt eigentlich unwichtig, ob die Anrufe eingegangen waren. „Was ist mit meiner Kollegin Mahler aus Görlitz? Die ist doch hier zuständig“, antwortete Humboldt. Dabei schob er den Beamten aus der Menschenmenge im Zelt heraus, um ihn besser verstehen zu können. Sofort knallte die Sonne wieder auf seinen Kopf. Also ging er weiter, um sich in den Schatten eines Baumes zu stellen.
„Kriminalhauptkommissarin Mahler hat sich gestern das Bein gebrochen und der Oberkommissar Franz ist derzeit im Urlaub“, antwortete der Beamte schnell. Er hatte seine Mütze vom Kopf gezogen und wischte sich den Schweiß von der Stirn. „Wir hätten also sowieso Sie von Dresden rufen müssen.“
„Okay, ich hole meine Sachen und dann können wir los. Sind Sie mit dem Auto da?“, fragte Humboldt und machte sich schon auf den Weg zu seinen Freunden.
„Ja, ich stehe auf dem Campingplatzparkplatz.“ Der Beamte hastete hinter Humboldt her.
„Doch nicht nur ein Schwächeanfall“, sagte Humboldt den anderen, die ihn erwartungsvoll ansahen. „Ein Toter auf dem Hochwald. Ich schau mir das mal an. Wollen wir uns später bei Christin treffen? Ihr könnt ja noch ein bisschen bleiben.“
„Und wie kommst du wieder nach Hause?“, fragte Christin und sprang auf. „Ich komme mit.“
„Und Andrea und Bernd laufen heim?“, fragte Humboldt grinsend. Es war ihm klar, dass Christins Journalistinnenneugier geweckt war. Aber sie hatte jetzt nichts dort zu suchen. Jedenfalls noch nicht.
Christin hatte sich wieder gesetzt. „Stimmt, ich hatte vergessen, dass wir alle zusammen gefahren sind. Ich hole dich später ab, ja? Sag mir Bescheid, wo ich dich finde.“
Humboldt spürte ihre Enttäuschung. Darauf konnte er jetzt aber keine Rücksicht nehmen. Eilig lief er mit dem Beamten davon.
Kurz darauf fuhren sie mit dem Kleinwagen über einen holprigen Waldweg Richtung Gipfel des Hochwalds. Hier waren noch vor ein paar Stunden die Teilnehmer der O-See-Challenge mit dem Rad heruntergebrettert.
Als es immer unwegsamer wurde und Humboldt schon befürchtete, dass sie gleich stecken bleiben würden, stoppte der Beamte.
„Dort hinten, sehen Sie?“, sagte er kurz und sprang aus dem Wagen.
Humboldt tat es ihm gleich. Hier im Wald war die Hitze erträglich; als er jedoch im Laufschritt hinter dem Beamten herlief, spürte er sofort, wie sich der Schweiß an den dafür bekannten Körperstellen sammelte. Kurz dachte er noch, dass er sicherlich keinen angenehmen Duft verströmte, da er nach seinem Lauf noch nicht einmal duschen gewesen war, aber da war er auch schon an der Fundstelle der Leiche angekommen.
„Humboldt, Kripo Dresden“, begrüßt er den Arzt, der seinen Koffer gerade schloss.

 

Elisabeth Harwart – wir gratulieren der Gewinnerin des Wettbewerbs „Aus meinem Atelier“

Elisabeth Harwart – wir gratulieren der Gewinnerin des Wettbewerbs „Aus meinem Atelier“

Herzlichen Glückwunsch der Gewinnerin Elisabeth Harwart.
Sie erzielte mit Ihrem Gemälde „Wiederkehr des Frühlings“ die höchste Punktzahl.
Als Gewinn erhält sie die Möglichkeit, im HZO Wilthen sich zu präsentieren.
Aber hier erstmal ein Überblick zu Ihrem Leben und Schaffen.
1972 in der kirgisischen SSR geboren, kam Elisabeth Harwart im Alter von drei Jahren, als Heimkehrerin mit ihrer Familie, in der ehemaligen BRD an. Während der ganzen Schulzeit in der kleinen Stadt Lingen (Ems) in Niedersachsen, vertrieb sie sich die Zeit mit Zeichnen. Ihre Mappen und Schulbüchern zierten Zeichnungen von Mitschülern und Lehrern, was schon früh die Ausrichtung Elisabeths Vorlieben andeutete. Zu der Begeisterung für alles Bildhafte, gesellten sich auch die Liebe zur Musik, Literatur und der Natur. Mit 17 gewann sie, währende eines Austauschaufenthaltes, den 2. Preis des Jugendkunstwettbewerbes des Staates Colorado, USA und wurde in Denver ausgestellt. Das Abitur machte sie im Hauptfach Kunst. Statt Kunst zu studieren entschied, sie sich für das Studium eines anderen künstlerischen Fachs, Theaterwissenschaften, da für sie im Theater alles zusammentraf, bildhafte Kunst, Musik und Literatur. In den 30 Berufsjahren bis heute und als alleinerziehende Mutter ohne Reue entwarf und produzierte sie Bühnenbilder, Fotografien und Plakate, komponierte Filmmusik, führte Regie, spielte Theater, drehte und schnitt Filme, konzipierte und organisierte Kunstprojekte u.a. in Bochum, Bremen, Hamburg und in Berlin. 2016 zog sie in den Landkreis Görlitz, satt von der Großstadt, wo sie nun zusammen mit ihrer „einzigen und Lieblingstochter“ glückliche Wahloberlausitzerin geworden ist. Hier engagiert sie sich im Oberlausitzer Kunstverein und fand die Ruhe im Malen und Gestalten mit Ton wieder. „Die großartige Natur, die einzigartigen Umgebindehäuser und die lieben Freunde, die ich hier habe, sind eine wahre Inspiration und Bereicherung meines Lebens. Meine Werke sind persönlich, voller Emotion. Stil sowie Technik wähle ich je nach gewünschter Wirkung. Ich experimentiere. Ein Kunststudium hätte wahrscheinlich eine klarere Richtung gebracht, aber auch Unfreiheit. So ist der Schaffensprozess viel direkter und manchmal selbst für mich noch überraschend ist, was viel Spaß daran ausmacht.“

Humboldt und der letzte Lauf – Teil 4

Humboldt und der letzte Lauf – Teil 4

Humboldt und der letzte Lauf – Teil 4 der Reihe um Kriminalhauptkommissar Humboldt. Das eBook ist im Juni 2021 erschienen, das Taschenbuch folgt im August.

Prolog (1991)
„Mikkel, komm jetzt raus! Mir ist kalt!“ Smila trat von einem Bein aufs andere und buddelte sich damit immer tiefer ein.Sie liebte die Unterschiede. In der Nähe des Wassers fühlte sich der Sand kühl und fest an, Richtung Dünen wurde er immer heißer und lockerer. Normalerweise würde sie noch viel länger mit ihrem kleinen Bruder im Meer toben, aber jetzt musste sie aufs Klo. Und außerdem warteten ihre Eltern sicher. Sie wunderte sich sowieso schon, dass ihr Vater nicht längst nach ihnen geschaut hatte. Er war der Ängstlichere von beiden. Zwar machte sich ihre Mutter auch ständig wegen irgendetwas Sorgen, aber sie kontrollierte sie nicht so oft.
„Mikkel, was ist jetzt?“, rief sie noch einmal.
Murrend stapfte ihr Bruder aus dem Wasser. Seine Luftmatratze zog er hinter sich her. „Och Menno, es ist doch überhaupt noch nicht spät. Und Papa ist auch noch nicht da. Los, komm nochmal mit rein.“
Smila war erstaunt, dass selbst ihrem 13-jährigen Bruder auffiel, dass ihr Vater noch nicht aufgetaucht war. Länger als eine Stunde ließ er sie selten allein. Und nun war schon viel mehr Zeit vergangen.
„Nee, wir müssen los. Es gibt sicher gleich Abendbrot“, sagte sie bestimmt. Dass sie fünf Jahre älter als Mikkel war, ließ sie nur zu gerne raushängen. Schließlich hatte sie früher häufig auf ihn aufpassen müssen, dann konnte er jetzt auch nach ihrer Pfeife tanzen.
„Müssen wir morgen wirklich schon wieder heimfahren?“, murrte Mikkel weiter, zog sich aber brav sein T-Shirt an und legte das Handtuch über die Schultern. Dann schnappte er sich die Luftmatratze. „Wir haben doch noch vier Wochen Ferien, waren doch sonst immer viel länger in Schweden. Warum denn dieses Mal nicht?“
„Ich weiß es nicht“, antwortete Smila. Auch so etwas, das ihr gleich komisch vorgekommen war, als ihre Eltern darüber gesprochen hatten, diesmal nur kurz in ihr Ferienhaus zu fahren. Hatten sie so viel Arbeit zuhause? Womit sie beim nächsten Mysterium war, denn selbst mit ihren achtzehn Jahren konnte sie nicht genau sagen, was ihre Eltern taten. Sie saßen oft am Computer, bekamen über ein gesondertes Telefon Anrufe, die meist nur kurz dauerten, und in letzter Zeit waren sie häufig unterwegs. Meistens nur ein Elternteil, damit das andere bei den Kindern bleiben konnte. Wenn Smila wissen wollte, was sie zum Beispiel in der Schule sagen sollte, was ihre Eltern beruflich taten, bekam sie immer die gleiche Antwort: Sie waren im Import- und Exportgeschäft tätig und mussten für verschiedene Firmen die Warenwege koordinieren. Geglaubt hatte ihnen Smila das nie. Aber da sie keine andere Erklärung bekam, beließ sie es dabei.
Auf dem Weg zu ihrem Ferienhaus beschlich Smila plötzlich ein komisches Gefühl. „Sag mal, was hat Mama gesagt, wann wir zum Abendbrot zurück sein sollten?“, fragte sie ihren Bruder.
„Hm, ich glaub um sieben“, antwortete Mikkel unbekümmert.
Smila schaute auf ihre Uhr. Jetzt war es fast halb neun. Nie im Leben hätten ihre Eltern sie so lange im Wasser gelassen. Sie schluckte. Was war es nur, was ihr plötzlich Angst einflößte?
„Bringst du die Luftmatratze in den Schuppen? Ich geh schon mal ins Haus, Mama und Papa beruhigen“, sagte sie zu ihrem Bruder und schob ihn in den hinteren Teil des Gartens.
Murrend folgte er ihren Anweisungen.
Mit klopfendem Herzen ging Smila zur Haustür und klingelte. Nichts tat sich. Erst jetzt bemerkte sie, dass die Tür einen winzigen Spalt offen stand. Erschrocken trat sie einen Schritt zurück. Normalerweise waren bei ihnen alle Türen rundherum zugeschlossen. Selbst die Terrassentür hatte ein Schloss und wurde nur geöffnet, wenn sie wirklich in den Garten wollten. So, wie das bei anderen Familien war, dass die Türen und Fenster den ganzen Tag offen standen, kannte sie es nicht. Sie beneidete ihre Freundinnen immer darum. Sagen konnte sie es nie, damit sie nicht ausgelacht wurde.
Vorsichtig sah sie sich um. Es war niemand zu sehen. Alles sah wie immer aus. Also drückte sie die Tür langsam auf. Auch in dem kleinen Flur konnte sie keine Veränderung feststellen. Smila nahm allen Mut zusammen und betrat das Haus. „Mama? Papa?“, rief sie leise. Keine Antwort. Auf Zehenspitzen ging sie weiter. Was sollte sie tun, wenn jetzt ein Einbrecher auf sie zukam? Ob sie besser gleich die Polizei rief, bevor sie weiterging? Am Ende waren ihre Eltern einfach nur beim Fernsehen eingenickt und sie machte hier alle verrückt. Aber sie wusste, dass das nicht wahr sein konnte. Ihre Eltern waren irgendwie immer auf der Hut.
Als sie sich dem Wohnzimmer näherte, hörte sie Mikkel hinter sich.
„Ich hab einen Hunger!“, rief er fröhlich. Dabei schleuderte er seine Schuhe in die Ecke.
Beinahe hätte Smila ihn ermahnt, die Schuhe ordentlich hinzustellen, doch jetzt musste sie ihn erstmal loswerden, bevor sie die Tür zum Wohnzimmer öffnete.
„Du sollst noch Holz von draußen holen!“, rief sie ihm zu.
„Warum ich? Du bist dran“, sagte Mikkel und schaute sie herausfordernd an.
Da hatte er recht, dachte Smila. „Ich soll Mama noch was helfen“, antwortete sie und schob Mikkel Richtung Haustür. Wieder kam er ihrer Aufforderung knurrend nach.
Als er verschwunden war, drehte sie sich schnell um. Ihr blieb nicht viel Zeit bis zu seiner Rückkehr. Eilig öffnete sie die Tür und schaute ins Wohnzimmer. Nichts! Dann wandte sie sich der Küche zu und entdeckte sie sofort. Ihre Eltern lagen eigenartig verrenkt und doch irgendwie einträchtig nebeneinander auf dem Boden und Smila musste nicht erst nachsehen. Sie wusste, dass sie tot waren. Sie blieb wie versteinert stehen und konnte ihren Blick nicht abwenden. Hatte sie tatsächlich seit Jahren damit gerechnet, dass so etwas irgendwann passieren würde? Blieb sie deshalb jetzt so ruhig?
Wieder hörte sie Mikkel im Hausflur. Langsam drehte sie sich um und ging zu ihm. Dann legte sie einen Arm um seine Schultern und zog ihn mit nach draußen.
„Smila, lass das! Wo willst du denn hin?“, fragte er und versuchte, sich aus ihrem Klammergriff zu befreien.
„Wir müssen weg“, sagte sie nur und schloss die Tür hinter sich.

In geheimer Mission  – Teil 2

In geheimer Mission – Teil 2

In geheimer Mission - Teil 2… Wo es nur ging, beobachtete ich sie. Ich schoss sogar Fotos und machte mir Unmengen an Notizen. Schon bei den ersten Schießübungen wurde mir klar, das konnte nichts werden. Abgesehen davon, dass sie sowieso nicht trafen, ruckelten sie ewig herum, bis sie endlich die richtige Liegeposition gefunden hatten.

Dann hatten sie vergessen, den Unterstützungsriemen am Oberarm einzuhaken, das Magazin steckte nicht richtig im Gewehr, die Patrone hatte sich beim Repetieren verklemmt oder, was es niemals bei Männern gegeben hätte, die Haare störten, so dass sie sich die Locke erst hinter das Ohr schieben mussten, bevor sie die Scheiben ins Visier nehmen konnten.

Und diese Lautstärke! Ständig gackerten sie los, wenn ihnen etwas nicht gelang oder sie doch mal getroffen hatten. Die Trainer kamen mir wie zwei Schäferhunde vor, die ihre Schäfchen beieinander halten mussten. Das Wort „Ruhe“ bekam selbst für mich eine völlig neue Bedeutung. Die kehrte erst wieder ein, wenn dieser Hühnerhaufen das Training beendet und sich auf den Weg in ihr Haus gemacht hatte.

Und das war das einzig Gute: die Grazien bewohnten ein eigenes Haus. Es gab also doch noch so etwas wie eine weiberfreie Zone. Die Jungs wohnten im vorderen Komplex, in dem sich auch die Trainerzimmer befanden.

Tage und Wochen zogen ins Land. Den ganzen Sommer über hatte ich genug Material gesammelt. Natürlich machten sie Fortschritte, was mich sehr beunruhigte.

Am meisten aber quälte ich mich mit der Erkenntnis, dass sie ihre Raffinesse einsetzten, um sich bei den Jungs einzuschleimen. Ich konnte es mir nicht anders erklären. Denn die verstanden sich alle prächtig. Niemand schien den guten alten Zeiten nachzutrauern. Es war zum Heulen.

Als ich endlich genug Beweismaterial zusammen hatte und meine Beschwerde einreichen wollte, hob sich der Eiserne Vorhang. Wohin jetzt mit meinen Bedenken?

Nun wollte sich jeder erstmal um sich selbst kümmern. Was tun mit der neu gewonnenen Freiheit? Welche Wege konnten eingeschlagen werden? Niemand achtete mehr darauf, was die Weiber taten. Es wurde zur Selbstverständlichkeit, da vermeintlich wichtigere Dinge anstanden.

Aber ich gab meine Mission nicht auf. Die ganze Sache hatte nur einen Haken. Ich hatte nicht bemerkt, dass die Damen mir auf die Schliche gekommen waren.

Wenn ich sie beim Schießen aus den Augenwinkeln beobachtete, drehten sie plötzlich alle ihre Köpfe in meine Richtung und stierten mich mit ihren unschuldigen Augen an. Musste ich im Kraftraum nach dem Rechten sehen, begannen sie in ihren knappen Outfits mit Verrenkungen, dass einem schwindelig werden konnte. Oder bildete ich mir das alles nur ein?

Dann dieses Tuscheln! Ständig hörte ich es zischeln, sobald ich in ihre Nähe kam. Es machte mich ganz rasend. Aber ich wollte meine Mission nicht aufgeben. Ich konnte nicht, würde ich doch meinen Frieden erst wiederfinden, wenn sie aus meinem Leben verschwunden waren.

Und nun war es also soweit. Nicht sie verschwanden, sondern ich würde gehen. Um mich war es nicht schade. Wer oder was erwartete mich schon auf dieser Welt! Aber was wurde dann aus meinem Auftrag? Ich musste doch die Biathlon-Männerwelt retten! Das wollte ich bei meiner letzten Observierung auch tun. Genau dabei kam es doch ans Licht, dass ich recht hatte.

Ich war gerade in der Waffenkammer zugange, als ich das Geschnatter hörte. Schnell hatte ich mich zwischen Schrank und Wand geklemmt, in der Hoffnung, dass sie mich nicht sehen würden.

Ihr Plappern ließ auch nicht nach, als sie begannen, die Waffen zu reinigen. Und dann gab es einen ohrenbetäubenden Knall. Zuerst spürte ich die wohlige Ruhe, die direkt entstand. Dann den Schmerz und danach die Schwärze.

Wieder hörte ich ihr Gezeter, aber diesmal berührte es mich nicht. Ich war ihnen entkommen. Den Flintenweibern, meinen Schwestern, der Mutter, und fand endlich die Ruhe, nach der ich mich so sehnte.

Diese Geschichte widme ich den Biathletinnen, die mit mir (damals Jana Richter) durch die spannende erste Zeit im Damenbiathlon gegangen sind: Katrin Bräuer, Jana Englert, Heike Richter, Carmen Schindler, Ilka Schneider, Katrin Cruschwitz, Kerstin Fuchs und Silvia Kaden. Und den beiden tapferen Trainern Horst Koschka und Wolfgang Sturm, die es mit uns Frauen aufgenommen und uns für diesen Sport begeistert haben. Ich bin sehr froh, dass aus den belächelten Flintenweibern eine anerkannte und erfolgreiche Sportart entstanden ist.

In geheimer Mission  – Teil 1

In geheimer Mission – Teil 1

Mai cover erzgebirgeIn der Anthologie „Schatten über dem Erzgebirge“ haben die Geschichten von 22 Autorinnen und Autoren aus Tschechien und Deutschland ihre Schauplätze jeweils an einer Welterbestätte. Die Handlungen sind zweisprachig abgedruckt und illustriert und entführen die Leserinnen und Leser an diese Orte, nehmen sie mit in die Historie und entfachen Neugier, diese zu besuchen.
Meine Kurzgeschichte spielt in der Montanlandschaft Altenberg-Zinnwald, zu der ich seit meiner Biathlonlaufbahn einen besonderen Bezug habe. Natürlich ist die Handlung der Geschichte ausgedacht.

(mehr …)

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