Der Besuch der kleinen Königin

Der Besuch der kleinen Königin

Wir alle erleben Zeiten, in denen es uns schwerfällt, mit Unsicherheiten und Problemen fertig zu werden.

Da wünscht sich wohl mancher einen guten Rat, eine hilfreiche Hand oder … Besuch aus Leichtland.

Von dort kommt die kleine Königin, und sie hat sich zum Ziel gesetzt, den Menschen zu zeigen, was man bei ihr zuhause tut, damit Schweres ein bisschen leichter wird.

 

 

Der Besuch der kleinen Königin

 

Ich begegnete der kleinen Königin zum erste Mal am Abend eines Sommertages.

 

Es war ein schwieriger Tag gewesen. Nicht, dass die vorigen leicht gewesen wären. Nur fühlte es sich an diesem Abend an, als würde der berüchtigte Tropfen über einem bis zum Rand gefüllten Fass schweben. Ich war aus der Wohnung ins Freie geflüchtet, sog vor der Haustür die frische Luft ein und hoffte, sie würde die Unruhe beim Ausatmen mit nach draußen nehmen. Tief und ruhig atmen, das hatte manchmal geholfen. Diesmal nicht. Ich war so unzufrieden mit mir, dass es beinahe weh tat. Was war nur los? Seit Monaten schien sich irgendetwas in mein Leben einzumischen. Es war mir fremd und machte mich rastlos. Immer hatte ich geglaubt, mein Leben im Griff zu haben. Und doch … da waren Gedanken, die mich nicht in Ruhe ließen und mich verunsicherten.

Und nun auch noch das: eine Entscheidung lag vor mir. In einer Woche musste ich sie treffen und fühlte mich damit völlig überfordert. Ich hatte begonnen, Fakten zu sammeln, Expertenmeinungen eingeholt und meine Bekannten konsultiert. Hier wie da: gute Ratschläge und Meinungen, die weit auseinandergingen. Mit meiner Unruhe war der Ärger über meine Unzulänglichkeit gewachsen. Jetzt kam Angst dazu. Was, wenn ich mich falsch entschied? Ich wusste genau, dass ich in dieser Nacht nicht gut schlafen würde. Der Tag wich der Dämmerung und ich war nahe daran, zu verzweifeln. Warum musste das Leben so kompliziert sein? Ich fand keine Antwort darauf.

Gerade wollte ich wieder hineingehen und meinen Kummer im Schutz der Wohnung hüten, da begann die Straßenlaterne ihren Nachtdienst und leuchtete auf. Der Lichtkegel umhüllte ein Stück des Vorgartens und rückte die alte Bank neben dem Fliederbusch in mein Blickfeld. Das erschien mir wie ein Zeichen. Ich drehte um und ließ mich auf dem rauen Holz nieder. Seufzend lehnte ich mich an die Hauswand, deren Steine Sonne getankt hatten und mir den Rücken wärmten. Ein kurzes Wohlgefühl – dann stand die Frage wieder breit und mächtig vor mir. Wie sollte ich mich entscheiden? Ein weiteres Mal ging ich meine „Vor- und Nachteil-Liste“ durch.

Ein eigentümliches Funkeln lenkte mich ab. Zwischen den blühenden Ranken, die sich vor mir am Zaun hinauf wanden, glitzerte etwas. Hatte jemand ein Schmuckstück verloren, das in den Pflanzen hängen geblieben war? Ich beugte mich nach vorn und erstarrte, ungläubig staunend über das, was ich entdeckt hatte.

Eine kleine Gestalt in samtig grünem Kleid trat zwischen den Blumenstängeln hervor und rückte ihre winzige Krone zurecht.

An Wunder hatte ich nie geglaubt. Nun stand eines vor mir. Sprachlos musterte ich das anmutige Wesen, das sein Köpfchen hob, um mich anzusehen.

„Wer bist du?“, flüsterte ich.

„Wie sehe ich denn aus? Wie eine kleine Königin?“, fragte die kleine Gestalt fröhlich und antworte gleich selbst. „Genau das bin ich. Schön, dass wir uns begegnen. Darf ich dir Gesellschaft leisten?“

„Natürlich!“, antwortete ich verwirrt. „Aber wenn du eine Königin bist, hast du sicher Wichtigeres zu tun.“

Sie sah mir in die Augen und gab zurück: „Warum glaubst du, dass du nicht wichtig genug bist?“

„Ich bin nichts Besonderes und du bist ein Wunder“, sagte ich stockend. „Wie sollte ich deine Aufmerksamkeit verdienen?“

Diese Frage schien ihr nicht zu gefallen. „Verdienen.“ Sie machte eine verächtliche Handbewegung. „Was seid ihr Menschen manchmal für …“. Sie stöhnte. „Dummköpfe wollte ich eigentlich nicht sagen, aber das trifft es wohl am besten.“  Erschrocken hielt sie sich die Hand vor den Mund. „Ich will dich nicht verletzen. Aber glaubst du wirklich, ich würde bei dir meine Zeit verschwenden?“

Ich zuckte mit den Schultern. Dann murmelte ich: „Keine Ahnung, aber ich fürchte, ich bin heute kein ein angenehmer Gesprächspartner.“

„Wenn du meinst“, kam aus der Rabatte, in der die kleine Königin verschwunden war. Ich befürchtete schon, dass meine mangelnde Begeisterung sie vertrieben hätte. Doch da sah ich, wie sie an einem dicken Stängel nach oben stieg und die abzweigenden Blüten und Blätter wie eine Leiter benutzte. Sie ließ sich mir gegenüber auf einem herzförmigen Blatt nieder und ließ die Beine über den Rand hängen.

„Jetzt sehen wir uns besser“, sagte sie und lächelte mich an. „Warum glaubst du, dass heute nicht der richtige Tag zum Plaudern ist?“

„Mir geht so vieles durch den Kopf. Manchmal weiß ich nicht mehr, wer ich bin und was ich eigentlich will. Zu allem Unglück habe ich heute erfahren, dass ich in ein paar Tagen eine wichtige Entscheidung treffen muss. Je länger ich überlege, um so unsicherer werde ich. Das ist frustrierend.“

Ich stöhnte, dann gab ich mir einen Ruck. Da saß ein Wunder vor mir, eine kleine Königin, und bot mir eine Unterhaltung an und mir fiel nichts als Jammern ein. Das durfte nicht sein. Der kleine Gast in meinem Vorgarten verdiente mehr Aufmerksamkeit. Ich beschloss, mich zusammenzureißen.

„Willst du mir erzählen, wo du wohnst?“

„Gern“, sagte sie. „Ich komme aus Leichtland. Das ist gleich nebenan.“ Die kleine Königin suchte nach den richtigen Worten. „Es lässt sich nicht einfach beschreiben. Vielleicht so: nebenan bedeutet neben deiner Welt. Ganz nah, aber doch nicht sichtbar für euch.“

Ich staunte: „Leichtland? Wie ist es dort? Leicht? Dann lässt es sich gut bei euch leben.“

„Gut leben? Das stimmt. Und leicht? Ja und nein“, rief sie und schaukelte mit den Beinen, dass das Blatt zu schwingen begann.

„Wie meinst du das?“, wollte ich wissen.

„Leichtigkeit ist unser Lebensmotto. Es gibt Vieles, was bei uns leicht ist und genauso gibt es allerhand Schweres. Doch in Leichtland strebt jeder danach, Schweres leicht oder zumindest leichter zu machen. Wir sind Spezialisten darin.“

Ich wurde nicht fertig mit Staunen.

„Warum bist du dann hier?“, fragte ich.

„Weil ich gern reise. Und schließlich braucht jeder ab und zu eine besondere Herausforderung, nicht wahr? Hier, in eurer Welt, gibt es genug Aufgaben für mich.“

Ehe ich nachfragen konnte, schlug sie vor: „Soll ich dir erzählen, wie ich Königin geworden bin?“

Ich nickte. Meine Neugier war erwacht.

„Königin zu werden ist nicht schwer. Ich habe mir ein Kleid genäht, ein besonders hübsches. Es passt mir gut und im Übrigen passt es auch gut zu mir. Ich fühle mich darin wohl und schön. Dazu habe ich einen passenden Umhang gewählt. Wegen der Würde, weißt du?“ Verschmitzt sah sie mich an. „Und? Was fehlt noch?“

Ich zeigte lächelnd auf ihren Kopfschmuck.

„Genau! Das war dann schon alles. Mehr braucht es nicht.“ Die kleine Königin nahm ihr Krönchen ab und wischte mit dem samtenen Stoff ihres Umhangs über die glitzernden Steine.

„Die sind sicher kostbar“, warf ich ein, doch sie erklärte: „Darauf kommt es nicht an. Eine Krone dient vor allem dazu, den, der sie trägt, zu einem aufrechten Gang zu verleiten, ihn aufzurichten eben. Dabei darf sie ihn natürlich auch schmücken. Wie du siehst, die ganze Sache ist ziemlich leicht. Ich verstehe nicht, warum sich hier niemand darum kümmert. Bei euch gibt es doch eine Menge Stoff und Schmuck.“

„Wie stellst du dir das vor?“, unterbrach ich sie. „Man kann hier nicht einfach König oder Königin werden.“

„Warum nicht?“

Ich schüttelte den Kopf. „Selbst wenn ich mich so kleiden würde, ich hätte kein Reich über das ich verfügen könnte, keine Zeitspanne zum Regieren …“

Mein kleiner Gast nickte ungeduldig. „Ich weiß. Vielleicht fehlt euch Menschen ein bisschen Fantasie. Wenn du einmal in dich gehen würdest, könntest du entdecken, dass du ‚reicher‘ bist, als du glaubst. Du hast innen drin und um dich herum ein eigenes Reich. Stell dir vor, die Hauptstadt ist in deinem Herzen und dein Reich dehnt sich aus bis zu deiner Familie, zu deinen Freunden und Nachbarn. Mit jedem, den du triffst, wo immer du hinkommst, wird es größer und größer.“ Die kleine Königin hob den Zeigefinger, um ihre Worte zu unterstreichen. „In diesem Reich gibt es für dich sicher etwas zu regieren.“

Mein Widerspruch kam umgehend: „Und wenn ich noch so gut regiere, wie die Tage aussehen, wird vom Leben bestimmt, vom Schicksal!“

„Aber das ist es ja! Sobald du eine Königin bist, kannst du ein bisschen daran drehen“, versicherte mein kleiner Gast.

Ich ließ mich nicht so leicht überzeugen. „Bei dir klappt das vielleicht, bei mir nicht.“

Die kleine Königin war hartnäckig: „Du willst also nicht einmal wissen, wie ich das mache, dieses ‚ein bisschen daran drehen‘?“

„Doch“, gab ich kleinlaut zu.

„Ich verrate es dir.“ Sie beugte sich mir entgegen und sagte eindringlich: „Ich gebe den Tagen einen Namen.“ Sie breitete die Arme aus und bestätigte: „Schließlich habe ich als Königin das Recht dazu.“ Mit großen Augen wartete sie auf meine Reaktion.

„Aha!“, antwortete ich, wenig begeistert. „Das soll helfen?“ Ich hatte etwas anderes erwartet, etwas Ausgefallenes, Spektakuläres.

„Ob du es glaubst oder nicht“, setzte sie mit Nachdruck hinzu, „danach ist der Tag nicht mehr derselbe.“

Enttäuscht lehnte ich mich zurück. „Meine Tage haben bereits Namen: Montag, Dienstag, Mittwoch …“, zählte ich leicht genervt auf. „Manche haben sogar Doppelnamen: Freitag der Dreizehnte, Volkstrauertag, Totensonntag, Aschermittwoch. Außerdem … ist es nicht egal, wie sie heißen, wenn sie einfach nur schwierig sind?“

„Ich muss dir wohl auf die Sprünge helfen“, erwiderte die kleine Königin und klatschte energisch in die Hände. „Überlege dir mal ein paar erbauliche Worte.“

Ahnungslos sah ich sie an. “Erbaulich?“

„Ja! Worte, mit denen man sich wohl fühlt“, erklärte sie, „so wie ‚Glück‘ oder ‚Mut‘.“

Ich versuchte mein Bestes, doch meine Stimme klang lustlos: „Schaffenskraft?“

„Genau so etwas meine ich.“ Die kleine Königin strahlte. „Meinen Tag hab ich heute Morgen zum ‚Tag der Hilfsbereitschaft‘ ernannt. Deshalb habe ich dich gefunden. Weil ich dir helfen will.“

„Du meinst, sonst wärst du gar nicht hier?“

„Sicher nicht. Ein Tag scheint zu spüren, wie man ihn nennt. Ich kann dir nicht erklären, wie das funktioniert, aber ich habe es ausführlich getestet.“

Die kleine Königin hatte die letzten Sätze so überzeugend hervorgebracht, dass ich schmunzeln musste.

 

Aus: Eva Mutscher, Der Besuch der kleinen Königin

© 2021 Verlag am Eschbach, Verlagsgruppe Patmos in der Schwabenverlag AG, Ostfildern

ISBN-10 ‏ : ‎ 3869179120    ISBN-13 ‏ : ‎ 978-3869179124

 

 

Mit Schmiedehammer und Zeichenstift

Mit Schmiedehammer und Zeichenstift

Mit Schmiedehammer und Zeichenstift – oder – Wer ist Knut van der Vinzburg?

Experimentierfreudig, farbenfroh, erschaffen mit Pinsel und Stahl, so präsentieren sich uns die Arbeiten von Knut Winkler, alias Knut van der Vinzburg.
Seine Arbeiten sind oft stark surrealistisch und scheinen visualisierte Träume zu sein.
Manchmal etwas traurig und nachdenklich machend, wie die Arbeit „Seeadler am Natronsee“, oft voller Farbexplosionen und von Glück und Hoffnung erzählend, wie „Toskana Landschaft“.
Werke mit tiefer Leidenschaft und stillen Botschaften.
Zu seinen gemalten Kunstwerken gesellen sich noch ganz praktische, handwerkliche Dinge, wie Tore, Türen, Fenstergitter, Schmiedeeisenarbeiten und auch Skulpturen, welche aber immer seine künstlerische Handschrift tragen.
Knut van der Vinzburg, Maler, Kunstschmied und Poet.

 

„Musik ist etwas für die Ohren, Tanz für den Körper und bildende Kunst für Auge und Geist.
Kunst ist die Schöpfung einer sinnlich erfahrbaren Wirklichkeit, die die Welt in Richtung
einer Antwort auf die in der Substanz des menschlichen Seins verankerte Sehnsucht nach einem Wunder verändert.“
                                Knut van der Vinzburg

 

Herr Winkler, wer ist Knut van der Vinzburg und warum d i e s e r  Künstlername?

Als ich 2002 geheiratet habe, habe ich den Namen Winkler angenommen.  Aber alle meine Kunstwerke waren bis dato mit K.V. signiert.

Um meine Kundschaft nicht zu verwirren, habe ich den Bezug zu meinen Großeltern – Mütterlicherseits – Vinzelberg  genutzt. Somit entstand Knut van der Vinzburg.

 

Sie haben bereits als 12Jähriger eine Mal- und Zeichen-Ausbildung bei dem renommierten Maler und Kunstpädagogen Rosso H. Majores erhalten. Wie kam es dazu?

Das geschah durch meine Mutter. Sie war beim Mal & Zeichenkurs in Bischofswerda und nahm mich manchmal mit. Das hatte einen riesen Spaß gemacht.

Nach dem Umzug nach Dresden bin ich dann zu dem Kurs in der Technischen Universität gegangen.

 

Wie ging es, nach der Ausbildung bei Majores, für Sie künstlerisch weiter?

Ich habe dann eine Lehre im VEB Denkmalpflege Dresden zum Kunstschlosser und Kunstschmied absolviert.

 

Mit Malerei und Grafik haben Sie Ihre künstlerische Laufbahn begonnen. Wann und wie kam die Liebe zum Kunstschmiedehandwerk dazu?

Durch meinen Großvater – Väterlicherseits – Max Vogel. Schon als Kind  habe ich ihm immer begeistert beim Schmieden zugesehen.

Aber auch durch  meine Liebe zu alten Kulturen, Gebäuden und Denkmälern, deren Erhalt auch für zukünftige Generationen absolut wichtig ist.

 

Welche künstlerische Betätigung bevorzugen Sie? Malen oder Schmieden?

Beides übe ich gleich gern aus.  Jedoch beim Malen kann ich etwas mehr abschalten.

Sozusagen meine Seele „baumeln“ lassen.

 

Sie haben Ihre Ausbildung bei einem hervorragenden Kunstpädagogen erhalten. Geben Sie ihre Erfahrungen an junge,  begabte Nachwuchskünstler weiter?

Ja, ich habe schon 5 Lehrlingen mein Wissen & Können beigebracht.

 

Neben Ihrer Kunst gehen Sie auch einer Schmiedetätigkeit mit Herstellung von praktischen, alltagstauglichen Dingen nach.

Blenden Sie dabei künstlerische Gedanken aus, oder ist das gar nicht mehr möglich? Ich könnte mir vorstellen, Ihre Kunden lieben auch hierbei einen gewissen künstlerischen Touch.

Das ist richtig. Wenn möglich wird immer versucht etwas Besonderes – Einzigartiges zu Schaffen.

 

Herr Winkler, woran arbeiten Sie aktuell?

Zurzeit arbeite ich zum  Beispiel an einem Eingangstürelement und Oberlicht im Jugendstil, mit ganz viel floral geschmiedeten Zierfüllungen.

 

Kann man Knut van der Vinzburg bald irgendwo live erleben.

Ja, zur bevorstehenden Vernissage – Ausstellung im Elementarium am 01. Dezember in Kamenz.

Eine weitere Möglichkeit wäre dann noch  zur nächsten Vernissage / Ausstellung am 08. März in der „Kleinen Galerie“ in Torgau.

 

Wo kann man Ihre Werke betrachten? Gibt es eine aktuelle oder ständige Ausstellung?

Ja gibt es.  Eine ständige – wechselnde Ausstellung in der ROM – ART Galerie in Braunschweig. Ansonsten mit Anmeldung in meinem Atelier oder zu „ KunstOffen in Sachsen“

 

Herr Winkler, oberlausitz-art bedankt sich bei Ihnen für das informative Interview und wünscht Ihnen weiterhin viel Erfolg.

 

Das gleiche wünsche Ihnen auch. Und ebenfalls viel Erfolg.

Kontakt:     art-winkler@derkustschmied.de

Waldspaziergang

Waldspaziergang

Ruhe finden und Kraft tanken im Wald – das entdecken Viele gerade wieder neu.

Es ist ja auch faszinierend, wie viel Leben zwischen Bäumen, Moosen und Farnen steckt.

Und wer sich darauf einlässt, geht immer beschenkt nach Hause.

 

 

 

Waldspaziergang

 

Nadelteppich, weich und federnd,

unter meinen Wanderschuh’n.

Schritt für Schritt, ganz ohne Eile.

Muss jetzt gar nichts andres tun.

 

Atme tief den Duft des Waldes.

Sanftes Rauschen über mir

lässt die Sorgen mich vergessen,

stille Freude find‘ ich hier.

 

Sonnenstrahl fällt durch die Wipfel,

wärmt mir Seele und Gesicht.

Frisches Grün weckt neue Hoffnung,

und mehr brauch ich heute nicht.

 

Bald geh ich ganz frohen Mutes

durch die Tannen, Schritt für Schritt,

und ich nehm‘ des Waldes Ruhe

morgen in den Alltag mit.

 

 

 

©bei der Autorin

 

Theater als Therapie – oder – Spielend das Leben erforschen

Theater als Therapie – oder – Spielend das Leben erforschen

Leidenschaft und Kreativität, das zeichnet Jacqueline Plesky aus.
Das Besondere ist, sie begleitet die Menschen in einem kreativen Prozess, indem diese ihre Schöpfungskraft und Gestaltungsfreude erkennen und ihre eigenen Stärken wertzuschätzen lernen.
Sie ist Theatertherapeutin, interaktive Puppenspielerin und Tanz- und Bewegungspädagogin und bringt jahrelange Erfahrung im Umgang mit psychisch erkrankten Kindern und Jugendlichen mit. Sie konnte schon vielen Kindern und Jugendlichen helfen, ihre kreativen Fähigkeiten zu entdecken.
Auch wenn nicht immer ein angehender Künstler am Ende das Seminar verlässt, Spaß hat es allemal gemacht.
Ob Theaterwerkstatt oder Kreativwerkstatt, die Begeisterung dafür ist überall zu spüren.

 

 

Frau Plesky, was begeistert Sie so an Ihrer Arbeit?

In meiner Arbeit geht es nicht darum etwas besonders künstlerisch Anspruchsvolles zu gestalten, sondern es geht darum, dem Innenleben Ausdruck zu verleihen. Sich ausdrücken, mitteilen, aktiv werden, kann einen Prozess der Bewusstwerdung anstoßen. Es geht immer um das Gefühl, vom Kopf über das Herz in den Bauch. Der Theaterraum ist ein magischer Ort, in dem die Seele eine neue Welt erschaffen kann. Das begeistert mich, Menschen in einem kreativen, schöpferischen Prozess zu begleiten, der ihnen zu innerem Wachstum verhilft. Das positive Erleben der eigenen Schöpfungskraft führt zu mehr Lebensfreude und Stärkung des Selbstwertgefühls.

Wie kamen Sie auf die Idee, sich dieser Aufgabe zu stellen? Haben Sie entsprechende Erfahrungen in Ihrer beruflichen Entwicklung machen können?

Ich habe viele Jahre als Krankenschwester und Stationsleiterin der Akutstation für Jugendliche in der Kinder- und Jugendpsychiatrie gearbeitet und mit meiner geschätzten Kollegin und Freundin Theaterpädagogin Petra Rähmisch eine stationsübergreifende Theatergruppe geleitet. Dort haben wir die Themen der Jugendlichen aufgegriffen und mit ihnen gemeinsam Theaterstücke entwickelt. In diesem Prozess wurden insbesondere die emotionale und soziale Kompetenz gestärkt und Ressourcen aktiviert. Im stationären Bereich leitete ich noch die Mal- und Gestaltungsgruppe. Ich bringe also einen reichhaltigen Erfahrungsschatz im psychotherapeutischen und im gestalterischen Bereich mit. Nachdem meine drei Kinder erwachsen waren, nahm ich ein Sabbatjahr und bin mit meinem Mann mit dem Fahrrad durch die Welt gefahren. Dies war eine große Bereicherung für mich und nach meiner Rückkehr, war nichts mehr so, wie vorher. Mein Blick auf die Welt hat sich verändert und ich wollte zukünftig freier und selbstständiger arbeiten.

 

Haben Sie eine künstlerische Ausbildung?

Ich habe eine Ausbildung als Theatertherapeutin, interaktive Puppenspielerin und Tanz- und Bewegungspädagogin absolviert, sowie einige Weiterbildungen im kunsttherapeutischen und theaterpädagogischen Bereich.

Was fasziniert Sie an Kunst? Gibt es ein spezielles Genre, welches Sie bevorzugen?

Mein Schwerpunkt liegt im therapeutischen Theaterspiel. Ich sage bewusst Theaterspiel, da es nicht darum geht eine Rolle einzustudieren, sondern eher seinen Gefühlen, Hoffnungen und Wünschen Raum zu geben. Durch einen kreativen Prozess innerlich wahrnehmend und achtsam in den theatralen Ausdruck zu gehen. Dies erlebe ich auch im interaktiven Puppenspiel. Kinder schlüpfen ganz selbstverständlich in eine Figur, legen ihr Worte in den Mund und daraus entwickelt sich ein spontanes Spiel. Der Spielprozess steht im Vordergrund. Wo wir Erwachsenen uns manchmal schwertun, besitzen Kinder noch ihre spielerische Spontanität. Sie können sich über die Puppe mitteilen und Lösungen für Probleme finden.

Für Kinder und Jugendliche biete ich auch Workshops und Projekte im theaterpädagogischen und im Bereich „Malen und Gestalten“ an, dabei stehen die freie Ausdrucksform und die Freude am Tun im Vordergrund. Dabei entdecke ich viele kleine Künstler. Zum Beispiel führte ich ein Kunstprojekt mit geflüchteten ukrainischen Kindern an der Oberschule Innenstadt durch. Aktuell bin ich auch bei den Kulturpfadfindern zu finden.

Machen Sie für sich selbst, außerhalb Ihrer Arbeit, Kunst? Wenn ja, welche?

Ich entspanne mich gern bei der intuitiven Malerei, auch naive Aquarellmalerei.

Frau Plesky, Sie bieten auch Workshops für Erwachsene an.
Wie hoch ist hier die Chance, künstlerische Fähigkeiten zu entdecken?
Ist das in diesem Seminar überhaupt ein Beweggrund?

Wie schon erwähnt geht es in meinen Seminaren nicht darum etwas künstlerisch Wertvolles darzustellen, sondern es geht eher um einen Entwicklungsprozess. In eine Rolle schlüpfen und alles darf sein, was oft im realen Leben nur schwer möglich ist, das ist etwas Wunderbares. Und dabei entdeckt so mancher seine Fähigkeiten und hat Spaß daran, sich auszuprobieren.

Diesen Prozess kann man auch in der intuitiven Malerei erleben. Herz und Seele öffnen und sein innerstes Wesen entdecken und auf das Papier bringen.

Die meisten Ihrer Seminare haben einen heilsamen, therapeutischen Hintergrund.
Wie wird Ihr Angebot von den Menschen angenommen?
Spüren Sie eine steigende Nachfrage?

Aktuell leiden besonders Kinder und Jugendliche unter Folgen von der Corona-Pandemie und den Lockdowns. Die psychischen Belastungen haben zugenommen und der Unterstützungsbedarf ist groß. Die Nachfrage von Schulprojekten im Bereich Gewaltprävention und Schulung der sozialen Kompetenzen haben ebenfalls zugenommen.

Wie kann man eines Ihrer Seminare buchen? Reicht eine private Anmeldung oder geht es nur über eine Überweisung durch den Arzt?

Seminare und auch Einzelberatung können Sie durch private Anmeldung über e mail oder telefonisch buchen. Leider übernimmt theatertherapeutische Angebote nicht die Krankenkasse und muss privat finanziert werden. Schulprojekte und Workshops werden meist über Fördergelder finanziert.

Frau Plesky, wie sehen Ihre Zukunftspläne aus?

Ich habe eine Zukunftsvision-eine Theatergruppe für Jugendliche als Brückenprojekt zwischen Psychiatrie und zu Hause. Eine Art weiterführender Betreuung nach der Entlassung aus der Klinik zur Stabilisierung. Vieleicht entwickelt sich daraus auch eine feste Gruppe. Aktuell suche ich Ansprechpartner und Finanzierungsmöglichkeiten.

Oberlausitz-art bedankt sich für das interessante Gespräch und wünscht Ihnen und Ihren Seminarteilnehmern alles Gute und viel Erfolg.

 

 

 

 

 

 

Jacqueline Plesky
Kunst-Theater-Werkstatt

Rosenstraße 10

02826 Görlitz

Telefon: 0177 7594325

 

 

 

Ein Lächeln von Herzen

Ein Lächeln von Herzen

Die Geschichte „Ein Lächeln von Herzen“ will unser Augenmerk auf eine märchenhaft alte Weisheit lenken:

Ein Lächeln kostet nichts, und ist doch nicht umsonst – jedes Lächeln macht die Welt ein Stückchen freundlicher.

 

 

 

 

Ein Lächeln von Herzen

 

Es ist lange her, da lebte ein Mann, dem war das Lächeln aus dem Gesicht gefallen. Er hatte es nicht einmal gemerkt, bei all der Sorge und Mühe, die jeder Tag mit sich brachte. Als er eines Morgens in den Spiegel sah, erschrak er vor dem Bild, das ihn anstarrte. Furchen durchzogen die Stirn und die Mundwinkel bogen sich abwärts, als hinge an jeder Seite ein Pfund Blei.

„Kein Wunder!“, brummte er. „Wer weiß, was mich heute erwartet.“

Das Frühstück, das seine Frau liebevoll zubereitet hatte, konnte ihn nicht aufheitern. Mürrisch schob er den halbvollen Teller beiseite, wischte sich die Krümel vom Mund und stand auf. Er griff nach seiner Jacke und war schon auf dem Weg nach draußen.

„Ich wünsch dir einen schönen Tag, Albert!“, rief Hilda ihm hinterher und hoffte, dass ihre Freundlichkeit ihn erreichen würde. Aber wie so oft in letzter Zeit bekam sie als Antwort nur unwilliges Knurren.

Und doch hatte sie ihn lieb. Es tat ihr weh, wenn sie seine gebeugten Schultern sah. Vor allem fehlte ihr seine Fröhlichkeit. Irgendetwas muss geschehen, sagte sie sich. Tagein, tagaus sein missmutiges Gesicht ertragen, das war zu viel verlangt! Noch heute würde sie ihn sanft und bestimmt ermuntern, wieder freundlicher zu blicken.

Als Albert nach Hause kam, versuchte sie geschickt, ihm ein Lächeln zu entlocken, aber sie erreichte nur, dass er ungehalten wurde. Wie sollte er wohl lachen, wenn es nichts zu lachen gäbe, musste sie sich anhören. Die Welt, die Leute, das Wetter, alles war schlecht. Da brauchte er nicht noch eine nörgelnde Frau.

„Du musst nicht gleich lachen“, lenkte sie ein, „ein Lächeln würde mir schon genügen.“ Albert runzelte die Stirn und fuhr sie an: „Und woher soll ich das nehmen?“

Ärgerlich über so viel Starrsinn brach es aus ihr heraus: „Such dir doch eins! Geh! Schau dich um! Vielleicht liegt eins auf der Straße!“

Albert presste den Mund zusammen und schob sie beiseite. Dann holte er seinen Rucksack hervor, stopfte ein paar Sachen hinein und zog die Wanderschuhe an. „Genau das werd‘ ich tun, dann bist du mich für ein paar Tage los“, sagte er, schnappte seinen Hut und stapfte davon.

Hilda schaute ihm kopfschüttelnd nach und hörte noch eine Weile sein Schimpfen: „Natürlich! Warum bin ich nicht gleich darauf gekommen? Haufenweise liegt das Lächeln herum, gleich werde ich darüber stolpern!“ Dann verschmolz sein Schatten mit den Büschen, die in der Ferne den Weg säumten.

Langsam legte sich Hildas Aufregung. Vielleicht war es gut, wenn er sich eine Weile woanders umsah.

 

Albert marschierte mit grimmigem Gesicht über Stock und Stein, unbeachtet wogte die Sommerlandschaft an ihm vorbei. Als er endlich den Kopf hob, bemerkte er, dass er die vertraute Gegend verlassen hatte. Der Pfad schlängelte sich nun durch Kiefern, die immer dichter wurden und den Weg düster machten. Der Wald schien kein Ende zu nehmen. Albert atmete auf, als er einen Lichtschimmer entdeckte. Ein rostiges Schild baumelte an einem Pfahl und verriet ihm, dass er in der Nähe einer Herberge war. ‚Wenn sie verlassen wäre, gäbe es kein Licht‘, dachte Albert und schöpfte Hoffnung auf eine Mahlzeit und ein Bett.

Der Wirt hinter der Theke musterte ihn verstohlen, fragte nach seinen Wünschen und machte sich in der Küche zu schaffen.

Albert hatte kaum den ersten Bissen getan, da kamen drei seltsame Gestalten zur Tür herein. Fremd, ja sogar ein wenig unheimlich sahen sie aus, und sie steuerten genau auf Alberts Tisch zu. Der hob kaum den Kopf, weil ihm nicht nach Unterhaltung zumute war, aber das störte die neuen Gäste nicht. Sie ließen sich neben ihm nieder und beäugten ihn ungeniert. Albert hörte, wie sie sich lustig über ihn machten.

„Ein echter Miesepeter!“, sagte der eine und der nächste spottete: „Hat wohl sein Lächeln verloren.“ Und so ging es weiter.

Albert versuchte, sie nicht zu beachten, doch bald konnte er sich nicht mehr beherrschen. „Wenn ihr so neunmalklug seid, dann sagt mir doch, woher ich dieses, anscheinend so begehrte Lächeln nehmen soll. Meine Frau hätte gern eins, nämlich für mich!“

Die drei blinzelten sich zu. „Glaubst du, wir sind zufällig hier?“, zischte der erste und beugte sich vertraulich vor. „Ich habe eben eine Kiste besorgt, neue Ware, da sollte ein Passendes dabei sein.“

„Wovon sprichst du?“ Albert wurde hellhörig.

„Von einem Lächeln natürlich! Kein gewöhnliches, versteht sich. Es ist künstlich, nutzt sich nicht ab. Man kann es Tag und Nacht tragen, nach Belieben aufsetzen oder verstecken. Es lässt sich sogar einfrieren. Natürlich hat es seinen Preis.“ Mit halb geschlossenen Lidern wisperte er eine Summe, von der Albert übel wurde. „Da müsste ich mein Häuschen verkaufen und die Wiese dazu! Und dann ist es nicht mal echt!“ Er schüttelte den Kopf.

Der geheimnisvolle Händler trommelte mit den Fingern auf der Tischplatte. „Falsch oder echt, was spielt das für eine Rolle! Greif zu! Bevor nichts mehr da ist.“

Ehe Albert antworten konnte, drängte der Nächste: „Pass auf! Mein Angebot wird dir besser gefallen!“

„Und wo ist der Haken?“, fragte Albert und fingerte an seinem Kragen.

 

Aus: Eva Mutscher, Ein Lächeln von Herzen

2016 Verlag am Eschbach, Verlagsgruppe Patmos in der Schwabenverlag AG, Ostfildern

ISBN-10 ‏ : ‎ 9783869174747 ISBN-13 ‏ : ‎ 978-3869174747

 

 

Zum 90. Geburtstag von Dieter Strahl

Zum 90. Geburtstag von Dieter Strahl

Zwischen den Welten.

Zum 90. Geburtstag des Malers und Bildhauers Dieter Strahl,

erscheint für 2024 ein Kalender mit einer Auswahl seiner Werke.

Dieter Strahl  1934 – 2018

 

Im Leben von Dieter Strahl spielten Literatur, Poesie, Geschichte und Geschichten eine große Rolle. Und so tauchen gerade in den durch Ölkreide-Farbstifte akribisch komponierten Werken auch Themen aus den Spektren der Bücher auf, denen er sich zum jeweiligen Zeitpunkt widmete.
Gedanken zum Mythos des Heiligen Gral, in seinen verschiedenen Facetten („Jesus und Maria Magdalena“, „Die Zeugung des Merowech“), sind ebenso zu finden, wie Interpretationen zu unterschiedlichen Religionen oder Mythologien („Daphne“, „Die Nornen“) und deren Schöpfungs- oder Untergangsgeschichten („Der Rückruf“, „Baumgeborene“, „Die Erdmutter verlässt ihr Gehäuse“). Die Sorge um den Erhalt des Planeten („Zerstörung“, „Wenn ein Schwan stirbt“) trieben den Künstler dabei genauso um, wie die Befürchtung einer Erblindung („Toskana – Amore Mio“). Auch waren die Verehrung und Verneigung vor der Schönheit der Schöpfung in Kombination mit Abschied, Tod und Trauer wiederkehrende Motive in seiner Arbeit (Das Geschöpf“, „Melancholia“, „In Memoria“).
Festzuhalten bleibt, dass die Bilder, die in dieser Art erdacht und geschaffen wurden, im Gesamtwerk von Dieter Strahl als Besonderheit angesehen werden können.

Der Kalender ist in der Galerie Arkadenhof Löbau zu den Öffnungszeiten erhältlich. Nach Abzug der Druckkosten geht der Erlös in die Spende für den Sonnenstrahl e.V.
Die darin gezeigten Arbeiten gehören zum unverkäuflichen Fundus bzw. Nachlass von Dieter.

Aquarelle von Helga Pilz

Aquarelle von Helga Pilz

Aquarelle von Helga Pilz
natürlich – abstrakt  – nuancenreich

 

 

 

Große Aufmerksamkeit erhielt die heutige Ausstellungseröffnung in der Stadtbibliothek Bautzen.
Malerin Frau Helga Pilz präsentiert hier
bis 03. Mai 2024 ihre Aquarellarbeiten den Besuchern.
Zu sehen ist die Ausstellung während der offiziellen Öffnungszeiten der Stadtbibliothek.

Friedliche Momente

Friedliche Momente

September, Zeit der Ernte und Zeit, um die Fülle zu genießen und den Sommer ausklingen zu lassen.

Das Gedicht möchte daran erinnern, dass wir „Friedliche Momente“ immer wieder  einmal bewusst suchen sollten

und dass sie in der Natur meist leicht zu finden sind.

 

 

 

Friedliche Momente

 

Sie sind gar nicht leicht zu finden,

unsichtbar, so wie der Wind,

diese friedlichen Momente,

die uns lieb und kostbar sind.

 

Aber dann, in meinem Garten,

hab ich einen doch entdeckt,

unterm Apfelbaum im Schatten,

hinter einer Bank versteckt.

 

Hab ihn vorgelockt, behutsam,

dass er sich zu mir gesellt.

Wie ein Hauch, so kam er näher

und umarmte meine Welt.

 

Zauberte auf stille Weise

mir ein Lächeln ins Gesicht.

Schlich sich in mein Herz hinein –

ob ich wollte oder nicht.

 

©Eva Mutscher

 

 

Klappe, die Erste!

Klappe, die Erste!

Vertrieben und dann?

Ein ungewöhnlicher Drehtag in der Energiefabrik Knappenrode.

 

 

 

 

Erzählt von Sylvia Mönnich

Als ich die Geschichte meiner Eltern in meinem Erstlingswerk „Vertrieben und dann?“ zu Papier gebracht habe, ahnte ich nicht, dass sich so viele Menschen für das Schicksal der Ungarn-Deutschen und Schlesier als Vertriebene nach dem Zweiten Weltkrieg interessieren werden. Meine Mutti war zehn Jahre alt, als am 25. August 1947 Stiefel gegen die Tür traten und die ungarn-deutsche Familie Hals über Kopf ihr Zuhause verlassen musste.

Der 29. Juni 1948 – Tag des Hochfestes der katholischen Kirche zu Ehren der Apostel Peter und Paul – brachte auch meinem Vati kein Glück. Seine Mutter hatte gerade die Wäsche im Bottich eingeweicht. Das kümmerte die Befehlshaber, die an die Wohnungstür wummerten, nicht. Innerhalb von drei Stunden mussten sie abholbereit sein und ihr geliebtes Schlesien Richtung Deutschland verlassen. Ihre wenigen Sachen nahmen sie nass mit, andere hatten sie nicht.

Im Jahr 2023 gibt es nicht mehr viele Zeitzeugen, die aus eigener Erfahrung über die Vertreibung der seit dem 18. Jahrhundert in Ungarn ansässigen Deutschen berichten können. Elisabeth ist eine davon und freut sich, dass der Landesverbands-Vorsitzende der Vertriebenen und Spätaussiedler in Sachsen, Frank Hirche, sie gebeten hat, ihre prägenden Erlebnisse aus vergangenen Tagen in Form eines kleinen Filmbeitrages der Öffentlichkeit mitzuteilen.

 

Klappe, die Erste!

Elisabeth ist 86 Jahre alt. Sie hat sich schick angezogen und überprüft noch einmal den Sitz ihrer Frisur. Keiner soll ihr ansehen, wie aufgeregt sie ist. Noch nie in ihrem Leben hat sie mit einem professionellen Filmteam zusammengearbeitet.

Das eigens für die Aufnahmen mit Elisabeth eingerichtete Filmstudio in der Energiefabrik Knappenrode ist abgedunkelt. Die Kameraleute haben Platz genommen und richten ihre Scheinwerfer auf den Stuhl, auf dem sie gleich sitzen wird. Die TV-Produzentin Britta Walter beruhigt Elisabeth. Sie solle mit ihren eigenen Worten über die Vertreibung, aber auch die Ankunft und Integration in Deutschland berichten.

„Frau Bartsch, wie haben Sie die Vertreibung als Kind erlebt?“, fragt die Produzentin.

Elisabeth faltet die Hände im Schoß und denkt nach. Längst hat sie mir von ihrer Kinderzeit und dem Schockerlebnis der Vertreibung erzählt. Und trotzdem ist es für sie etwas ganz anderes, die Tatsachen in einem Interview vor einem professionellen Kamerateam zu wiederholen und zu wissen, dass ihre Worte im Transferraum Heimat der Energiefabrik Knappenrode für ein breites Publikum zu hören sein werden.

Sie beginnt: „Ich wurde in Felsönána geboren als Elisabeth Schmidt. Wir haben eine Bauernhof betrieben, hatten ganz viele Hühner, auch Gänse und Enten, eben eine richtige Bauernwirtschaft, auch Felder … Unsere fünf Weingärten waren ganz schön weit entfernt und dort bin ich mit meiner Oma und meiner Mutti immer hingelaufen. Überhaupt sind wir sehr viel gelaufen.“

Elisabeth macht Pause und denkt an den Tag im August, der ihr Leben auf den Kopf stellte. Sie wird nie vergessen, wie sie vertrieben wurden, aber es fällt ihr nicht leicht, das Ereignis in Worte zu fassen.

„Es war der 25. August 1947 und es geschah von jetzt auf gleich. Wir haben vorher nichts gewusst. Ein Jahr zuvor, so um Weihnachten herum, sprach man mal davon, aber dann war das passé.“

Nachdenklich senkt Elisabeth den Kopf, bevor sie fortfährt:

„Ich war zehn Jahre und es wummerte an der Tür. Eine Klingel hatten wir nicht. Raus hieß es, alles zusammenpacken. Das Bettzeug war den Eltern und Großeltern wichtig, weil niemand wusste, wo es hingeht. Nach zwei Stunden stand der LKW auf der Straße, auf den wir die Sachen laden mussten. Das war nicht einfach.“

Britta Walter ermutigt Elisabeth, sich Zeit zu lassen.

„Wir besaßen eine Truhe, in die wir unsere Sachen steckten. Mein Opa war blind und deshalb stellten wir einen Stuhl auf die Ladeklappe. Den haben sie wieder runtergeholt, bis sie bemerkten, dass der Großvater ihn wirklich brauchte. Der LKW war voll mit Menschen und fuhr wie der Teufel. Wir saßen auf unseren Bündeln und die Akazienzweige der Straßenbäume schlugen uns ins Gesicht. Als Kind hatte ich wahnsinnige Angst, runtergerissen zu werden.“

Britta Walter stellt viele Fragen. Elisabeth taucht in ihre Erinnerungen ein und möchte noch vieles berichten. Doch für alles reicht die Zeit nicht. Schnell sind 90 Minuten vergangen, die zu einem kleinen Beitrag zusammengeschnitten und auf den Monitoren der Energiefabrik zu sehen sein werden.

Es berührt mich tief, dass Geschichte weiterlebt. In Sachsen hält der Landesverband der Vertriebenen und Spätaussiedler das Andenken der nach dem Krieg der Heimat Verwiesenen hoch. Der Landesverband Sachsen und sein Vorsitzender, Frank Hirche, errichteten im Jahr 2020 im ehemaligen Empfangsgebäude der Energiefabrik Knappenrode eine Bildungs- und Begegnungsstätte mit dem würdevollen Namen „Erinnerung, Begegnung, Integration – Stiftung der Vertriebenen im Freistaat Sachsen“. Im Transferraum Heimat können sich Jugendliche und Schulklassen informieren und in unserer schnelllebigen Zeit auch die Berichte der  Zeitzeugen anhören. Den Ausstellungsteil „Ankunft, Aufnahme und Integration nach 1945“ ergänzen Themeninseln zu den Gebieten Heimat, Bildung und Tradition.

Am 10. September 2023 begehen die Sachsen traditionell den sächsischen Gedenktag für die Opfer von Flucht, Vertreibung und Zwangsumsiedlung nach dem Zweiten Weltkrieg in der Gedenkstätte Knappenrode. Meine Eltern werden dabei sein und Mutti wird ihr eigenes Interview an den Monitoren des Ausstellungsraumes verfolgen können. Gerne gibt sie allen Interessierten Auskunft auf ihre Fragen zum damaligen Geschehen. Denn obwohl sie noch ein Kind war, haben sich die Tage, Wochen und Monate danach tief in ihr Gedächtnis eingebrannt.

 

 

 

 

 

 

Die Hütte am Waldrand

Die Hütte am Waldrand

Die Geschichte, die sich wunderbar für eine kleine Liegestuhl-Auszeit eignet, erinnert uns daran, wieder einmal nachzuforschen, wer oder was in unserem Leben regiert.

Gern bediene ich mich der Form des Märchens, wenn ich mich auf Wesentliches besinnen möchte. Vielleicht lassen auch Sie sich einladen, herauszufinden, wie der Unterschied zwischen „müssen“, „wollen“ und „dürfen“ unsere Tage in die ein oder andere Richtung lenkt.

 

 

Die Hütte am Waldrand

 

In einem Land, nicht weit von hier, hatte vor langer Zeit ein unerbittliches Wesen die Herrschaft übernommen. Es war ein rechtes Ungetüm. In einer steifen Uniform marschierte es umher und streifte gnadenlos jedem, dem es begegnete, unsichtbare Fesseln über.

Sein Name war ‚das ärgerliche Muss‘.

Die Menschen litten unter ihm, doch niemand lehnte sich auf. Seine Macht glich einer Schraubzwinge, die einengte und niederbeugte. Wo es auftauchte, überschattete ein dunkler Zwang jedes Wort, jedes Tun und jeden Gedanken. Niemand kam dahinter, warum die Tage grauer, die Pflichten schwerer und die Arbeit immer erdrückender wurde.

 

Nur eine Hütte am Waldrand hatte das ärgerliche Muss auf seinem Feldzug durch das Land übersehen. Hier lebte ein Mann, der sich zurückgezogen hatte, um dem Ungetüm aus dem Weg zu gehen. Bisher war ihm das gelungen. Hatte er deshalb stets ein fröhliches Lied auf den Lippen? Die Menschen im nahe gelegenen Dorf wunderten sich über sein vergnügtes Wesen. Wann immer sie in der Nähe zu tun hatten, schauten sie bei der Hütte des Waldarbeiters vorbei. Manchmal lud er sie ein hereinzukommen, doch keiner nahm sich Zeit dafür. Nur ein Gruß kam zurück. „Ich würde ja gern, aber du weißt doch, ich muss …“

Dann schaute ihnen der Mann kopfschüttelnd hinterher und war froh, an einem so abgelegenen Ort zu leben.

 

Eines Morgens streifte das ärgerliche Muss gerade in dieser Gegend umher, wie immer auf der Suche nach einem Opfer. Gierig wanderte sein Blick am Waldsaum entlang, da entdeckte es die gemütliche Behausung und rieb sich die Hände.

„Ha!“, rief es. „Hier war ich noch nie. Ich muss zeigen, wer Herr im Lande ist.“

Stramm marschierte es der Hütte entgegen, dann donnerte es mit der Faust an die Tür. Niemand bat es herein.

Das ärgerliche Muss wurde ein gewaltiges Stück ärgerlicher und bewegte sich schnaufend zum Fenster. Als es hinein stierte, sah es einen Mann auf der Bettkante sitzen, der sich reckte und streckte.

„Weißt du nicht, dass du aufstehen musst?“, brüllte es und fuchtelte drohend mit den Armen.

Der Mann wandte sich erstaunt um und rief: „Guten Morgen! Und … das muss ich ganz und gar nicht.“

Das ärgerliche Muss rieb sich die Ohren. Hörte es richtig? Noch nie hatte jemand gewagt, ihm zu widersprechen.

„Komm heraus, Mensch!“, befahl es. Dann mäßigte es seinen Ton. „Ich schenke dir zur Begrüßung eine Umarmung.“

Leise klirrten die unsichtbaren Ketten, die das Ungetüm mit sich trug. Gleich würden sie den Widerspenstigen umschlingen und gefügig machen. Hämisch grinsend murmelte es: „Du musst, du musst, du musst … Dir bleibt nichts anderes übrig.“

Da öffnete sich die Tür und der Mann trat auf die Schwelle. Aufrecht stand er da und sagte schlicht: „Ich muss nicht.“

Das ärgerliche Muss war so verblüfft, dass es vergaß, die Schlinge nach ihm auszuwerfen.

„Du musst nicht?“, schrie es und dampfende Wut stieg ihn ihm auf.

Doch der Mann zeigte keine Spur von Furcht.

Aus der Wut wurde Verwunderung und nach einer Weile Neugier.

„Du bist doch ein Mensch, oder nicht?“, vergewisserte sich das Ungetüm. „Alle Menschen müssen! Sie leben unter meiner Herrschaft! Ich sorge dafür, dass die Welt funktioniert!“

Der Mann biss sich lächelnd auf die Lippen und blieb still. Das brachte das ärgerliche Muss noch mehr in Rage.

„Du musst!“, schrie es.

„Ich muss nicht“, kam zurück.

Das Ungetüm wurde rot im Gesicht und schnaubte:

„Ich werde dich lehren, mir zu gehorchen!“

Es warf seine Fesseln aus, doch an der aufrechten Gestalt wollten sie nicht hängen bleiben. Der Mann hob die Schultern und sah sein Gegenüber schelmisch an.

Fassungslos über diese Dreistigkeit, beschloss das Ungetüm, sich einer List zu bedienen.

„Ich sehe, du bist ein besonderer Mensch. Du verdienst eine Ausnahme“, grunzte es scheinheilig. „Ich schlage dir einen Handel vor: Du musst nicht aufstehen. Nein, du musst es nicht. Nach einer Woche komme ich, um zu sehen, wie es dir ergangen ist.“ Es winkte ab. „Ich weiß es schon jetzt. Auf Knien wirst du mich anflehen, wieder Ordnung in dein Leben zu bringen. Ab diesem Tag verlange ich unbedingten Gehorsam von dir.“

Der Mann dachte nach, nickte und stellte seine Bedingung: „Wenn du Unrecht hast, wird der Spieß umgedreht. Dann wirst du tun, was ich dir sage.“

„Abgemacht!“ Das ärgerliche Muss stampfte davon und brabbelte vor sich hin:

„Nie und nimmer wird das geschehen. Ich kenne die Menschen. Er wird sich nicht aus dem Bett finden, den halben Tag wird er verschlafen. Was zu tun ist, bleibt liegen, bald geht ihm das Essen aus, und die saubere Kleidung auch. Was kaputt ist, wird nicht repariert … Wenn das Holz verbraucht ist, bleibt der Ofen kalt.“ Es schaute noch einmal zurück. „Hungrig und frierend wirst du mich erwarten und dich mir unterwerfen! So wie es die anderen tun.“

 

Aus: Eva Mutscher, Die Hütte am Waldrand

© 2023 Verlag am Eschbach, Verlagsgruppe Patmos in der Schwabenverlag AG, Ostfildern

ISBN-10 ‏ : ‎ 3987000198    ISBN-13 ‏ : ‎ 978-3987000195

 

 

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