Hinter der Mauer muss die Freiheit wohl grenzenlos sein

Hinter der Mauer muss die Freiheit wohl grenzenlos sein

 

Als ich letztens durch mein Jonsdorf lief, blieb ich vor der Baustelle am Kurhaus stehen. Endlich hatte das altehrwürdige Haus einen neuen Besitzer gefunden. Nun wird es saniert. Es soll nicht mehr als Hotel, sondern als Bettenhaus, für die meist männlichen Gäste, die ihre Frauen und Kinder im Mutter-Kind-Kurheim Jonsdorf besuchen, genutzt zu werden.

Für die Öffentlichkeit als Tanzlokal und Speisegaststätte, so wie einst, hat es ausgedient.

Doch leider bleiben auch die Türen der im Kellergeschoß befindlichen, urigen Bierstube, für immer geschlossen. Das ist besonders Schade.

Für mich und die meisten meiner Schulfreunde war es in den achtziger Jahren selbstverständlich, den Sonntagabend in der Bierstube, bei süffigen Eibauer Schwarzbier zu verbringen. Irgendwann brachten mein Bruder Steffen und ich die Gitarren mit, und so entwickelten sich unzählige Abende, an denen in der großen Stammtischrunde musiziert, gesungen und auch viel getrunken wurde. Wir waren jung und wahrlich voll verrückter Ideen. Nichts schien unerreichbar, kein Weg war zu weit und kein Blödsinn wurde ausgelassen. Wir hatten Ziele und Pläne. Vor uns stand noch der größte Teil unseres Lebens.

Das letzte Bier gab es um halb elf, Ausschankschluss. Gaststättenschluss war 23.00 Uhr. Der wurde meist eingehalten. Am nächsten Tag waren alle pünktlich im Betrieb und erfüllten ihre Aufgaben. Die ersten zwei Stunden oft nur mit halber Kraft aber „Blau“ gemacht hat keiner.

Jeden Sonntag kochte die Stimmung fast über. Bis zu zwei Wochen im Voraus musste man in der Bierstube Plätze reservieren, um diesem außergewöhnlichen Spektakel beizuwohnen.

Wir sangen auf dem Bierfass stehend, tanzten Kalinka und Schwanensee vor dem Tresen. Volkslieder, Oldies, Countrymusik aber auch aktuelle Songs standen auf dem Programm, immer den Blick in die Runde, ob nicht jemand verdächtig genau hinhörte, wenn wir manchmal in den Liedtexten etwas veränderten.

So zum Beispiel, Reinhard Meys „Über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein“. Das wurde von uns regelmäßig abgewandelt. So sangen wir mutig: „Hinter der Mauer, muss die Freiheit wohl grenzenlos sein.“ Damals in der DDR, hätte so etwas viel Ärger einbringen können. Diese Textvariante wurde immer öfter und lauter gesungen. Die Gäste in der Bierstube waren begeistert und wir wurden unvorsichtiger. Dann hat uns doch einer angezinkt. Eines Tages stand die „Sozialistische Staatsmacht“ vor dem damaligen Bierstubenwirt. Der zeigte sich empört und schwor der Behörde, dass hier so etwas noch nie gesungen wurde und er dies auch nicht gestatten würde. Er sei schließlich selbst Genosse! Damit war die Angelegenheit vom Tisch. Die kommenden Wochen sangen wir das Original von Reinhard Mey, aber einige Zeit später wieder die Textabwandlung, „Hinter der Mauer, muss die Freiheit wohl grenzenlos sein…“, nur etwas leiser.

Im September 1989 erhielt ich einen Brief von unserem ehemaligen Bierstubenwirt aus Bayern. Er und seine Frau gehörten mit zu den Ersten, die über Ungarn in den Westen geflüchtet sind. Sicherlich aus Neugierde, ob hinter der Mauer die Freiheit wirklich so grenzenlos ist.

 

Meine Bücher hier kaufen

Keine Ergebnisse gefunden

Die angefragte Seite konnte nicht gefunden werden. Verfeinern Sie Ihre Suche oder verwenden Sie die Navigation oben, um den Beitrag zu finden.

Melde dich jetzt für unser Blog-Abo an und verpasse keine neuen Inhalte mehr. Wir informieren dich sofort.

Du erhältst Infos zu kommenden Ausstellungen, Vernissagen und anderen Veranstaltungen in der Oberlausitz.

Auch die neuen Beiträge unserer Schriftsteller bekommst du sofort per Mail.

Neue im Portal angemeldete Künstler werden vorgestellt.

UND NOCH VIELES MEHR …
Freue dich auf News aus der Oberlausitz!

Dein Team von oberlausitz-art

Hier anmelden:

https://www.oberlausitz-art.de/#blog-abo

Schwester Agnes ohne Mopedschein

Schwester Agnes ohne Mopedschein

Die meisten von uns bringen mit einer Schwalbe, Baujahr 1964, eine bekannte Persönlichkeit in Verbindung.

 

Ist die beliebte Schauspielerin Agnes Kraus tatsächlich damit gefahren?

 

 

Schwester Agnes ohne Mopedschein

Jonsdorf befand sich in Sommer 1975 im DEFA-Film-Fieber. In der ehemaligen Jugendherberge „Bruno Tesch“, hatte sich der Drehstab aus Berlin eingerichtet. Aufnahmeleitung und viele Akteure nahmen ihre Arbeit für den DEFA-Film: „Schwester Agnes“ auf. Auch für mich, damals noch Jugendlicher, eine spannende Sache. Bei einigen Drehs stand ich dabei und konnte miterleben, wie so manche Szene in den Kasten kam.

Die Hauptrolle diese Filmes hatte die beliebte Schauspielerin Agnes Kraus inne. Eine Rolle, die in Ihrer weiteren Filmkarriere ein Markenzeichen wurde. Eine Gemeindeschwester, die sie verkörpern sollte, musste Moped fahren können! Auch im Film! Und das war das Problem. Agnes Kraus hatte noch nie auf einem Moped gesessen.

Es hatte sich herumgesprochen, dass an einem Nachmittag, ein Fahrtraining auf der jetzigen Hainstraße, kurz vor der tschechischen Grenze, mit Agnes Kraus stattfinden sollte. Alles wurde abgesperrt, damit auch niemand irgendetwas beobachten konnte. Mein Schulfreund Schwarzi und ich schlichen uns in den Wald hinter die „Tesch“ und versteckten uns gut getarnt hinter einen Busch.

Horst Helle, den damaligen ABV (Abschnittsbevollmächtigter der Volkspolizei) hatte man mit der Aufgabe betraut, Frau Kraus das Moped fahren beizubringen. Schwarzi und ich sahen abwechselnd durch das Fernglas und erlebten, wie Horst mit einer Engelsgeduld immer wieder auf Schwester Agnes einredete und versucht hat, ihr auf die für den Film umgebaute Schwalbe mit Stützrädern, hinaufzuhelfen. Das war spannender und lustiger als so mancher Dreh.

Ich sitze bei Horst im Garten und bin erstaunt, wie genau er sich nach neunundvierzig Jahren an das alles erinnern kann. Er muss lachen, als ich Ihm von unseren Beobachtungen erzähle: „Es war ein Ding der Unmöglichkeit“, gesteht Horst lächelnd. „Ick kann ja nich mal Fahrrad fahren, hatte ihm Agnes Kraus gebeichtet.“ „Und inne S-Bahn sind de Sitze breiter und lenken muss ick da ooch nich!“, erklärte Agnes Kraus weiter.

Horst schüttelt den Kopf: „Beim besten Willen! Da war nichts zu machen. Keinen Meter schaffte es Frau Kraus mit dem Gefährt voranzukommen. Es kam zu keiner Moped-Prüfung. Ich musste Otto Holub, dem Regisseur nach einer Stunde versuchten Fahrtraining erklären, dass es nichts mit Schwester Agnes auf dem Moped wird.“

Somit musste gedoubelt werden. Sein Kollege Achim Seibt, war eins davon. Im Krankenschwester-Outfit jener Zeit und einer blonden Perücke knatterte er als Schwester Agnes vor der Kamera die Waldwege entlang. Der zweite Retter der Situation war der Schmied Klaus Müller, der ein Untergestell zusammenschweißte, welches mit dem oberen Teil der Schwalbe verbunden wurde. Das Ganze befestigte man auf einen LKW-Hänger. Der wurde dann für die Filmaufnahme mit der darauf sitzenden und winkenden Agnes Kraus durch Waltersdorf gezogen und überzeugte später alle Fernsehzuschauer, die Gemeindeschwester Agnes ist mit Ihrem Moped zu ihren Patienten unterwegs…

Nein, an der Unfähigkeit Moped fahren zu können, sollte man die achtmal zum Fernsehliebling gekürte Agnes Kraus keinesfalls beschränken. Sie war zweifellos eine Volksschauspielerin, deren Beliebtheit in den Siebziger und Achtziger Jahren ihren Höhepunkt erreicht hatte. Im Besonderen durch den Film „Schwester Agnes“.

Man erzählte sich, dass sie während einer Drehpause, in die kleine HO, schräg gegenüber der Dammschenke lief, um sich eine Flasche Milch zu kaufen. Sie stand in der Schlange zwischen Urlaubern und Einheimischen in ihrem Schwesternkostüm. Die einen boten Ihr an, vorzugehen, da sie als Schwester wohl im Dienst sei. Andere meinten sie vorlassen zu müssen, damit sie pünktlich wieder zum Dreh kommt. Agnes Kraus blieb stehen und antwortete lächelnd: „Ne, ne, so wichtig bin ick ooch wieder nich…“ Eine einfache Frau, herzlich und liebenswert.

Heute, fast fünfzig Jahre später freue ich mich, wenn einmal im Jahr, „Schwester Agnes“ mit ihrem Moped im Fernseher gefahren kommt. Dann genieße ich noch einmal die heimatliche Filmkulisse aus den Siebzigern, die brillante Agnes Kraus und bin mir sicher, sie und die Dreharbeiten im Jahr 1975 sind nicht nur mir und Horst in guter Erinnerung geblieben.

Meine Bücher hier kaufen

Keine Ergebnisse gefunden

Die angefragte Seite konnte nicht gefunden werden. Verfeinern Sie Ihre Suche oder verwenden Sie die Navigation oben, um den Beitrag zu finden.

Melde dich jetzt für unser Blog-Abo an und verpasse keine neuen Inhalte mehr. Wir informieren dich sofort.

Du erhältst Infos zu kommenden Ausstellungen, Vernissagen und anderen Veranstaltungen in der Oberlausitz.

Auch die neuen Beiträge unserer Schriftsteller bekommst du sofort per Mail.

Neue im Portal angemeldete Künstler werden vorgestellt.

UND NOCH VIELES MEHR …
Freue dich auf News aus der Oberlausitz!

Dein Team von oberlausitz-art

Hier anmelden:

https://www.oberlausitz-art.de/#blog-abo

„Er färbt DEIN Leben bunt“

„Er färbt DEIN Leben bunt“

Wem ist nicht manchmal die Welt zu grau und eintönig. Man wünscht sich mehr Farbe ins Leben.
Frisch, bunt und lebensbejahend.
Uwe Krasel kann Ihnen da helfen.
Mit der Airbrushpistole, Dosen oder Pinsel zaubert er Ihnen verschiedene Motive
und Portraits auf Fassaden, Trafostationen, LKWs,  Autos, Motorräder, Helme und auf alles, was Sie für ein glückliches Lebensgefühl brauchen. Für die Ewigkeit oder auch nur für den Augenblick, in Form von Bodypainting.
Wie es dazu kam,  welche Möglichkeiten sich für seine Kunden ergeben;
oberlausitz-art hat nachgefragt.

 

Herr Krasel,  wie sind Sie zum Airbrush gekommen?

Ich habe schon vor der Wende an den Wänden meines Zimmers mit Stiften auf Raufaser gemalt. Kurz nach der Wende schwappten die ersten Dosen in den Osten und schon war auch der erste Auftrag, als Schüler in der damaligen Mittelschule Burgneudorf, im Treppenhaus da. Damals war es eine ANTI-DROGEN-KAMPAGNE. 1998 machte ich nochmal in der BASF in Ludwigshafen am Rhein einen Airbrush-Kurs. Einfach um den Umgang mit der kleinen Pistole zu lernen sowie das Zerlegen und Reinigen.

Was fasziniert Sie  daran?

Mittlerweile ist es mein Leben und nicht mehr wegzudenken. Man bekommt ja nicht nur normale Bildbestellungen. Nein, man wird von Firmen kontaktiert um Dinge optisch verschwinden zu lassen, oder optische Täuschungen zu malen. Das faszinierende daran sind die Kunden, wie abstrakt sie denken und was Sie mir manchmal vorlegen, was sie gern bemalt haben möchten.

Welche Gegenstände oder Objekte eignen sich für Ihre Kunst?

Es gibt eigentlich Nichts, was man nicht bemalen kann. Man muss nur wissen wie es geht. Den richtigen Unterbau in Form von Haftgründen haben.

Was muss bei der Vorbereitung beachtet werden?

Wie schon gesagt, der Unterbau ist alles. Wie beim Hausbau,…da trennt sich die Spreu vom Weizen!

Als Kunde habe ich eine besondere Idee.
Wie läuft so eine Bestellung  bei Ihnen ab?

Erst einmal muss man das Glück haben, wenn man mich kontaktiert hat, einen Termin zu finden. Dies ist manchmal mit Wartezeit verbunden. Der Nachwuchs lässt in dieser Branche leider auf sich warten. Dann besprechen wir uns. Meist kommen wir, mit Kundenwille und meiner über 25 jährigen Erfahrung, in der Mitte raus. Dann kommt der Tag und dann geht’s los. Säubern, Ordnung schaffen, Untergrundaufbau, Basisfarbe, Bild und Effekte, sowie Versiegelung

Haben sich im Laufe Ihrer Karriere die Ansprüche und Motivwünsche Ihrer Kunden geändert?
Was ist aktuell „der Renner“?

Ja total. Man kann eigentlich grob mit 5 Jahren Abstand sagen, dass es immer wieder einen Trend gibt. In den 90ern war es das Tuning der Autos. Angefangen bei Tankdeckelairbrush, über Motorhaubenbemalung, bis hin zur kompletten Umlackierung mit Bemalung. Dann nach dem Jahrtausendwechsel kamen Helme, Milchkannen und viele kleine Dinge dazu. Auch die ersten Wände entstanden hier, aber im Innenraum. Dann kam die Zeit der Monster-Trucks. Damals die Gebrüder Whright, mit Peter Weiß als Führenden. Ich habe damals in Karlsruhe in einer alten Fabrikhalle, mit Hilfe von Zirkusheizungen die Karosserien erwärmt und teilweise bei Minusgraden gemalt und lackiert. Einen Monster Truck nach dem Anderen. Sowie Kassenanhänger und größere Wagen von Schaustellern.  Dann kam die Zeit der Motorräder und Mopeds, Effekte Glitzer, Handlinierungen und manchmal das Alles vereint.      Tja und irgendwann kamen die Außenwände dazu. Riesige Bilder, bis zu 26 m lang wie zum Beispiel in Gablenz. Sie sind derzeit der Renner seit vielen Jahren.

Welches war bisher Ihre anspruchsvollste Arbeit?

Ich habe mal mit meinem besten Freund eine Simson lackiert, welche Glitzerlack hat. Dazu kam Candy-Effektlack. Dann 24 Karat Blattgold Symbole, Airbrushportraits und zum Schluss Handlinierung.

Was genau verbirgt sich hinter der Rubrik Babybäuche?

Dies sind Gipsabdrücke, welche quasi mit Gipsbinden auf dem nackten Körper erstellt werden. Dann werden sie verstärkt, geglättet und dann halt bemalt und lackiert.

Herr Krasel,  nehmen Sie auch an Wettbewerben und Ausstellungen teil?

Ich möchte noch einmal irgendwann zur Weltmeisterschaft im Bodypainting antreten.

Ansonsten war ich schon auf der internationalen Airbrushmesse und habe mit dem Weltstar „Gerald Mendez“ auf der Bühne gestanden und gegeneinander Portraits gemalt.

Wo können Ihre Arbeiten besichtigt werden?

Naja in ganz Deutschland, wenn man die Augen offen hält, sowie teilweise im Ausland. Letztes Jahr war ich zum Beispiel in Saas Fee malen, nähe dem Matterhorn auf 2000m Höhe. Dem Waliserhof, einem Luxushotel.

Zur Vorbereitung eines Airbrush gehört ja dazu, dass eine Zeichnung als Vorlage angefertigt wird. Es sind also auch zeichnerische Fähigkeiten Voraussetzung. Sind Sie somit auch in der klassischen Malerei und Grafik tätig?

Klassische Malerei…nein ich kann nur sehr gut Airbrush. Mit Dosen malen. Also nein nicht wirklich. Der einzige Kunde der kein Bild von mir hat, bin ich selbst. Das mache ich dann, wenn ich in Rente gehe. Vorher wird das wohl nichts glaube ich. Zu viel Arbeit.

An was arbeiten Sie aktuell?

An der Vorbereitung für einen künstlerischen Marathon. Ich starte in wenigen Tagen nach Bayern um dort einige Wände zu bemalen.

Herr Krasel, was verbindet Sie mit der Oberlausitz?

Es ist einfach mein Zuhause. Die ganzen wunderschönen Seen, welche aus Tagebauen entstanden sind. Wenn man sein Handy nicht anschaltet, das Radio auslässt, den Fernseher nicht einschaltet, dann bekommt man von dem Wahnsinn der Welt hier tatsächlich nichts mit. Außer das beim Einkaufen es etwas teurer ist. Aber ansonsten, würde dies alles komplett an uns vorbeigehen.

Oberlausitz-art bedankt sich für das interessante Gespräch,  wünscht Ihnen weiterhin viel Erfolg und immer die richtige Mischung von Luft und Farbe.

Vielen lieben Dank,…bleiben sie bunt und gesund.

 

Heimweh, Aale, Neptuntaufe

Heimweh, Aale, Neptuntaufe

Meine ersten Sommerferien führen uns in das Jahr 1966. Für mich sollte es­­ drei Wochen in ein Ferienlager auf die Insel Rügen gehen.

 

Es begann eine schier unendliche Bahnfahrt, die ganze Nacht hindurch, weit weg von zuhause, und dann für so lange—nein, ich wollte das nicht. Übermüdet hieß es dann in Putbus, in den „Rasenden Roland“ umsteigen. Da fühlte ich mich schon etwas wohler, denn der sah genauso aus wie unsere Zittauer Schmalspurbahn. Während der Fahrt schloss ich ab und zu meine Augen, nicht nur vor Müdigkeit, sondern in der Hoffnung, wenn ich sie wieder öffnete, steht an der nächsten Haltestelle Bertsdorf Bahnhof oder Jonsdorf Haltestelle auf dem Schild und ich wäre bald wieder zuhause. Nein, der Zug hielt in Binz und an der nächsten Haltestelle mussten wir aussteigen. Es folgte ein ewig langer Fußmarsch, um endlich in Lancken-Granitz anzukommen.

Erschöpft lag ich nach der Ankunft hinter dem Haupthaus des Ferienlagers auf einer Wiese, schaute in die Wolken und fühlte mich elend. Auch der gerufene Lagerleiter, der mich zu Trösten versuchte und zum Essen animieren wollte, musste mich erst einmal im Gras liegen lassen. Ich hatte zwar Hunger, doch mir war schlecht—ich hatte Heimweh, zumal ich mitbekommen hatte, dass ich, mit gerade mal sieben Jahren, der Jüngste von allen war.

Am nächsten Morgen sah die Welt schon besser aus. Werner, einer von den Großen, hatte mir Mut zugesprochen und meinte: „Das wird schon werden, wenn Du am Ostseestrand liegst und das Meer rauschen hörst.“ Endlich am Strand angekommen, begrüßte mich strahlend blauer Himmel, so viel Wasser und der Horizont so unendlich weit. Ich schmeckte die salzige Meeresluft der Ostsee, herrlich.

Aufregung bei den Jungs am Nachmittag. Zu uns ins Ferienlager kam einer von der Betriebsleitung mit einem funkelnagelneuen „Wartburg 353W“. Dieser „Luxusschlitten“ aus Eisenach wurde erst im Frühjahr auf der Leipziger Messe vorgestellt und jetzt durfte ich ihn ganz aus der Nähe betrachten. So schön kantig, hochmodern mit eckigen Scheinwerfern, wir waren begeistert. Wilfried wusste, dass dieser neue „Wartburg“ über 180km/h schafft und somit schneller als ein Opel Rekord oder ein VW-Käfer fährt. Nur so könne man den Westen überholen, meinte Achim. Ich nickte eifrig, obwohl ich nicht verstanden hatte, worum es genau ging.

Die meisten Tage verbrachten wir mit Baden in Binz, Baabe oder Sellin. Ich schaute den riesigen Schiffen auf dem Meer nach, wusste in welcher Richtung Schweden liegt und überlegte, wie lange man wohl bis zur Schatzinsel unterwegs sein müsste.

Manchmal sangen die Mädchen abends ein Lied… „Sonnenuntergang an der schönen blauen Ostsee…“ Den weiteren Text habe ich vergessen aber die Melodie ist mir bis heute im Kopf geblieben.

An einem Nachmittag hatte der Heimleiter ein schlangenartiges Tier in der Hand. Das wand sich um seinen Arm, öffnete dabei sei Maul und sah furchterregend aus. Es musste eine gefährliche Schlange sein. Obwohl mir bis dahin noch keine begegnet war, erinnerte ich mich an gruselige Geschichten über Schlangen, die mir mein Vater erzählt hatte. Dieses seltsame Tier, dessen Rumpf dicker als mein Arm war, hielt mir der Lagerleiter direkt vor die Nase. Der dachte wohl, weil ich der kleinste war, würde ich schreien oder weglaufen. Obwohl ich in diesem Moment schon etwas schiss hatte, blieb ich tapfer stehen, aber mein Herz pochte laut. Dann wurde auch ich aufgeklärt, dass es ein Aal sei, also ein Fisch, und er frisch geräuchert am besten schmeckt. Später zeigte er uns den Räucherofen, in dem die vielen Aale hingen. Es roch nach Rauch ähnlich wie bei uns zuhause, wenn der Küchenofen angeheizt wurde—mir taten die Tiere leid.

Wenige Tage später stand eine Neptuntaufe auf dem Ferienplan. Alle hatten sich am Bodden versammelt. Kleinere Schiffe blubberten vorbei, es roch nach Teer und ich sah einen dicken Neptun mit einer roten Perücke auf dem Kopf und einem Dreizack in der Hand, auf uns zukommen. Ihn begleiteten zwei Helfer, die sich als Piraten verkleidet hatten. Jeder der Täuflinge sollte rasiert werden. Das Gesicht wurde von einem der Piraten mit irgendeinem Seifengemisch eingeschäumt, dann vom anderen Piraten mit einem schmalen Holzbrettchen wieder vom Gesicht geschabt. Der Neptun verabreichte irgendein essighaltiges Gesöff, die meisten verzogen ihr Gesicht dabei und wurden anschließend kurzerhand von den zwei Helfern ins Wasser geworfen. Wieder an Land sprach der Neptun ein paar Worte zu demjenigen und man war getauft. Kein Problem für alle, die schwimmen konnten, aber für mich schon. Als ich an der Reihe war, bettelte ich, mich nicht ins Wasser zu werfen, da ich noch nicht schwimmen konnte. Der Neptun ließ sich nicht beirren, ich wurde mit Seifenschaum eingeschmiert und mit dem Holzbrettchen bearbeitet. Danach reichte Neptun auch mir dieses Gesöff, das schmeckte ekelhaft nach Essig. Einer der Helfer flüsterte mir zu, dass ich das nicht herunterzuschlucken brauche, sondern ruhig ausspucken dürfe. Ohne lange zu fackeln, flog ich auch schon ins Wasser. Wie können die das nur machen, dachte ich und war mir nicht sicher, ob ich lebend wieder an Land komme. Ich hatte nicht bemerkt, dass Wolfgang, ein dreizehnjähriger, vor mir ins Wasser gesprungen war, um mich Nichtschwimmer in Empfang zu nehmen. Er bugsierte mich unbeschadet an Land und Neptun taufte mich auf den Namen „Sägezahn“, was wohl an meinen vorstehenden Zähnen lag. Am Abend erhielt ich, wie alle anderen, meine Urkunde zur Neptuntaufe.

Schnell vergingen die letzten, erlebnisreichen Tage im Ferienlager. Die Heimfahrt kam mir viel kürzer vor als die Hinfahrt. Es gab so viel zu erzählen und zu lachen.

Meine Mutter holte mich vom Bahnhof ab und fragte, wie es mir gefallen hat und ob ich manchmal Heimweh hatte. Mir hat es super gefallen, brüstete ich mich und Heimweh hatte ich keins, log ich. Stolz zeigte ich ihr meine Urkunde von der Neptuntaufe und fragte sie, ob sie schon einmal geräucherten Aal gegessen habe. Mutter schüttelte lächelnd den Kopf: „Schön, dass Du wieder zuhause bist.“

Fotos: Henry Förster

Meine Bücher hier kaufen

Keine Ergebnisse gefunden

Die angefragte Seite konnte nicht gefunden werden. Verfeinern Sie Ihre Suche oder verwenden Sie die Navigation oben, um den Beitrag zu finden.

Melde dich jetzt für unser Blog-Abo an und verpasse keine neuen Inhalte mehr. Wir informieren dich sofort.

Du erhältst Infos zu kommenden Ausstellungen, Vernissagen und anderen Veranstaltungen in der Oberlausitz.

Auch die neuen Beiträge unserer Schriftsteller bekommst du sofort per Mail.

Neue im Portal angemeldete Künstler werden vorgestellt.

UND NOCH VIELES MEHR …
Freue dich auf News aus der Oberlausitz!

Dein Team von oberlausitz-art

Hier anmelden:

https://www.oberlausitz-art.de/#blog-abo

Vom Malen, Fotografieren und anderen Künsten

Vom Malen, Fotografieren und anderen Künsten

Kreative Vielfalt ist ihr unübersehbares Markenzeichen.

Die Künstlerin Charlotte von Elm liebt die Bildende Kunst, besonders die Malerei.

Als kreatives Multitalent ist sie aber auch in der Kochkunst und in der Food-Fotografie zuhause und hat aufwändige Raum- & Video-Installationen realisiert.

Mit künstlerischen Themenmenüs bringt sie in Görlitz Kunst und Genuss zusammen.

Saisonale Zutaten aus der Region verarbeitet sie mit ihren Gästen in einem Kochatelier zu internationalen Spezialitäten.

In einer Künstlervilla auf dem Mühlweg wird „essperimentiert“, gekocht, gefeiert und künstlerisch gearbeitet.

Was sie antreibt und wie sie ihre Ideen umsetzt; oberlausitz-art hat nachgefragt.

 

OLA: Frau von Elm, was war zuerst da, die Liebe zur Malerei oder zur Kochkunst?

ChvE: Temporär zweifellos die Liebe zu der Kochkunst meiner Mutter. Aber als Kind habe ich viel gelesen, gemalt und gezeichnet und Häuser aus Schuhkartons und Stoffen entworfen und gebaut.

Da ging es dann wohl schon los mit der „interdisziplinären“ Arbeit.

 

OLA: Haben Sie Ihre Leidenschaft für das Kochen aus Ihrem Elternhaus?

ChvE: Meine Mutter war eine gute Köchin: alles täglich Frisch, alles saisonal und regional. Gemüse, Salate und Obst kamen aus unserem eigenen Garten. Freitags gab’s Fisch und Sonntags den Braten. Der Rest der Woche wurde meist vegetarisch gekocht.

Für eine Leidenschaft oder Passion entfernt man sich eher von der Alltäglichkeit oder versucht das Gelernte zu vertiefen, zu verfeinern oder zu veredeln. Viele Zutaten, die wir heute so selbstverständlich verarbeiten, waren in der Küche meines Elternhauses und Allgemein in den Sechzigern bis in die Siebziger eher unbekannt – Auberginen waren beispielsweise eine Sensation. Oliven, Kapern, Artischocken waren eher Ausnahmen. Frischer Oktopus, Dorade und Thunfisch auch beim Fisch- & Feinkosthändler selten. So bin ich dankbar für eine solide Basis von zuhause, da ich ja als Köchin Quereinsteiger bin.

 

OLA: Wie wurden Sie selbst KünstlerIn?

ChvE: Talent ist sicher eine Voraussetzung um künstlerisch tätig zu sein, aber es macht noch keinen Künstler. Mein Weg zur Bildenden Kunst ging über die Angewandte Kunst: Bereits während der Fachoberschule für Gestaltung begann ich als Foto-Assistentin zu arbeiten. Wir hatten damals in Nürnberg eine gute Ausgangssituation für kreative Berufe: es gab AEG, Quelle, Diehl, Fleischmann und viele andere regelmäßige Auftraggeber. Ich hatte das Glück, dass wir auch für internationale Auftraggeber wie Elisabeth Arden und Gunther Lambert gefragt waren. Später kam bei mir das Grafik Design hinzu. Meine Anfänge waren also im Bereich des Design – der „Kunst, die sich nützlich macht“ 1)* .

Erst spät habe ich gemerkt, was ich wirklich machen möchte: künstlerisch frei arbeiten.

Darauf habe ich mich dann bis heute versucht zu fokussieren und so erst spät noch nebenberuflich an der damals Freien Akademie für Bildende Kunst in Essen ein Studium der Freien Malerei angehängt.

 

OLA: Sind Fotografie und Malerei Ihre bevorzugten künstlerischen Medien?

ChvE: Ich arbeite seit Anfang meiner künstlerischen Tätigkeit sozusagen interdisziplinär. Es interessierte mich schon immer in welche Medien ich mich als Künstlerin ausdrücken kann. In jüngeren Jahren war das für mich verständlicherweise mit viel Technik und neuen Medien verknüpft. „The medium is the message“2)* . Bereits in den 80er Jahren zeigte das Kunsthaus in Nürnberg meine großformatigen Fotografien von blutigen Schweinehälften in leeren, gekachelten Räumen. In den 90ern habe ich dann  auf Environments erweitert, einer Kunstrichtung die erstmalig in den USA Ende der 1950er Jahre im Umfeld der PopArt-Künstler entstand. Meine Arbeit “54° 10′ 57″ Nord“ eine Videoinstallation mit dem Deutschlandlied von Heinrich von Fallersleben und einen Union-Jack aus Roten-Weißen und Blauen Spielzeug-Eimerchen die mit Helgoländer Sand gefüllt waren, zeigte ich Ende der 1990er auf Helgoland. Der Sand in den Eimern wurde von den Kindern der Insel wieder zurück ins Meer gekippt. Die Eimer durften die Kinder behalten.

Zu der Wettbewerbsausstellung „Im Zeichen des Goldes“ in Schwabach zeigte die Arbeit „Minima Moralia“, ausgestellt auf dem Schwabacher Marktplatz, über 800 Plastikrosen mit goldenem Autofelgenlack überzogen zu Adornos Text aus der Minima Moralia auf 3meterlangen Stahlplatten gedruckt. 2001 haben die aufwändige Videoinstallation mit präpariertem Rinderkopf “we’re all stars now in the dope show “ ebenfalls auf einer weiteren Wettbewerbsausstellung über zweitausend Leute gesehen. Hier hatte ich auch einen Tänzer und Musik von Arnold Schönberg und Marilyn Manson integriert. Der Videoschnitt und das Rendern für ein 8 Minütiges Loop dauerte damals über eine Woche und ich lernte dafür Final Cut Pro. Eine weitere installative Arbeit, die 2010 auch im Kunsthaus Nürnberg ausgestellt war, wurde im Museum Abtei Liesborn und dann an mehreren Kunstorten in NRW gezeigt. Sie besteht aus (fränkischen) Trauerschürzen, mehreren Henkelmännern und historischen Fotografien von Menschen, die an leeren Tischen sitzen.

2012 habe ich in der Zentrifuge auf AEG eine mobile Verkostungs – Performance gemacht, bei der sich völlig fremde Menschen gemeinsam einen Teller Suppe auslöffeln. Auch eine Arbeit die Essen und Kunst in direktem Zusammenhang hat. Eine weitere Installation bestand aus 100 kleinen Autos, die ich aus Erde geformt hatte. Einer meiner wenigen Ausflüge in die Dreidimensionalität der Skulptur, wenn Sie so wollen. Die Malerei ist also seit meinem Studium eher die “andere Gattung”, eine andere Art Dinge, die mich beschäftigen auszudrücken, mit einem Medium das man eher als „back to the roots“ und „analog“ bezeichnen kann. Ein Medium das gut zu meiner Gegenwart passt: die Dinge entschleunigt anzugehen.

 

OLA: Was und/oder wer sind Ihre künstlerischen Einflüsse?

ChvE: Stilprägende Einflüsse kann ich für mich selbst so nicht im Einzelnen benennen. Natürlich gibt es immer inspirierende Menschen und ich hatte das Glück, viele von ihnen kennenzulernen. Sie haben, ob wissentlich oder nicht, ihren Teil dazu beigetragen, mich zu formen zu inspirieren und zu verbessern. In der Malerei liebe ich die großen Maler wie Corinth, Rembrandt, Tintoretto  – sehr mag ich auch Soutine oder Manet. Von den zeitgenössische Künstlerinnen bewundere ich Louise Bourgeois,  Georgia O’Keeffe, Lee Krasner, Alice Neel und Kiki Smith um nur einige zu nennen. In der Verbindung zu Lebensmitteln sind für mich natürlich auch Künstler wie Beuys, Spörri, Roth von Bedeutung. Sie bilden mit Eat Art die Vorreiter an der Schnittstelle zwischen Kunst und Leben. Sie reflektieren “die Nahrungsaufnahme als Mittel der Identitätsstiftung sowie die Produktion, Verwertung und den Konsum von Lebensmitteln in einer globalisierten Gesellschaft.” 3)*

 

OLA: Was sind Ihre gegenwärtigen Themen, welche Art von Kunst machen Sie?

ChvE: Gegenwärtig ist die Malerei mein Medium. Hier arbeite ich mit Ölfarben, meist auf Leinwand aber auch auf vorgefundenen Untergründen wie Stoff oder Holz. Inhaltlich sind es zwei Themenkreise die im Zentrum meines malerischen Interesses stehen: Essen und Natur.

Essen ohnehin als mein zentrales Thema: Hunger und Durst müssen gestillt werden. Gleichzeitig ist dieses basale Bedürfnis der Motor unserer kulturellen Entwicklung und eine fundamentale Form der Welterfahrung, wie Freud unsere erste Beziehung zur Außenwelt analysierte.

Besonders beschäftigen mich die vielfältigen Bedeutungszusammenhänge und Konnotationen, die mit Nahrung, Lebensmitteln und Essen zusammenhängen. Die existenziellen wie sinnlichen Aspekte des Essens und Kochens.

Ein Huhn, ein Fisch oder ein Rind sind ja zunächst lebendige Wesen bevor sie vielleicht zur Delikatesse werden. Es geht nicht nur darum Obst und Gemüse oder Desserts als bildgewordene Reflexe einer Alltagswirklichkeit darzustellen. Dahinter steht die Tatsache, dass Essen eine kulturell geprägte Handlung ist, ein “soziales Totalphänomen”4), das alle Lebensbereiche berührt.

Oder wie Alois Wierlacher zusammenfasst: “Essen war immer auch eine besondere Lust- und Leidquelle menschlicher Existenz, bedeutete Genuss und erregte Ekel, förderte Gemeinschaft und Individuation, stiftete Krieg und Frieden, war Zeichen der Liebe oder des Hasses, spiegelte Armut und materiellen Wohlstand, galt als Integral des Alltags und des Festtags, fungierte als Herrschaftsinstrument und Sozialisationsmittel, Medium und Experimentierfeld sinnlicher, sozialer und ästhetischer Erfahrungen und Sehnsüchte.” 5)

Das Thema Natur bearbeite ich seit meinem Besuch in Hemingways Garden auf Key West, der mich zu einer ganzen Serie über die dortige Flora inspirierte. Gegenwärtig entstehen mehrere Arbeiten zu meinem jetzigen Garten, also mit heimischer Flora. Pflanzen, Blumen und die Natur erden mich und ich glaube, dass die Natur eine Basis ist, die vielen Menschen des 21. Jahrhunderts fehlt.

 

OLA: Sie haben ein eigenes Atelier. Kann man Sie da besuchen, Ihnen zuschauen und Ihre Werke betrachten? Gibt es vielleicht eine eigene Galerie?

ChvE: Nach vorheriger Terminvereinbarung kann man mich gerne im Atelier besuchen.

In den Räumen des Kochatelier Görlitz sind meine Arbeiten ebenfalls während der Kochworkshops für die Teilnehmer zu sehen oder nach voriger Terminvereinbarung. Ich könnte mir auch vorstellen in Zukunft für eine kleine Teilnehmerzahl Workshops für Malerei oder Foodfotografie anzubieten oder auch andere KünstlerInnen zu kleinen Ausstellungen oder einer Lesung, Performance etc. einzuladen.

Die Räume in der Künstler-Villa im Mühlweg sind dafür wie geschaffen.

 

OLA: Wie kreativ sind Sie in der Küche?

ChvE: Kreativität ist für mich und ich glaube auch die Teilnehmer unserer Kochworkshops sehr wichtig. Sie sind daran interessiert mit neuen Kombinationen Bewährtes abwechslungsreicher und vielleicht gesünder, bekömmlicher oder moderner zu gestalten. Das macht Spaß und geht sogar mit low budget, ist also auch im Alltag praktikabel, wobei die gute Qualität regionaler und Saisonaler Produkte Voraussetzung ist.

Persönlich kombiniere ich gerne Zutaten neu miteinander – sogenanntes „Foodpairing“ wobei es hier nicht nur um Aroma-Harmonie sondern auch um Kontrast gehen kann. Ein weites Feld, das sich schon seit zwei Jahrzehnten mit der aufsehenerregenden Kombination von Kaviar und weißer Schokolade (Heston Blumenthal) eröffnet hat.

Und ich möchte in die Kunst der Fermentation einsteigen. Im Letzten Jahr habe ich beispielsweise wilde Kirschblüten fermentiert – das bringt Umami! Aber das ist ja nichts Neues oder Kreatives, sondern eine Technik die schon unsere Vorfahren kannten. Kreativ ist dann vielleicht wie man ein solches Produkt einsetzt.

So findet sich Kreativität in vielen Küchen – von klassisch ausgerichtet bis innovativ. Es macht m.E. aber keinen Sinn einer „Mainstream-Moderne“ zu folgen, ohne beispielsweise ein klassisches Gericht der „cucina povera“ lecker und technisch einwandfrei hinzukriegen.

Der nächste Schritt der Kreativität heißt Innovation, wie die Leistungen von Ferran Adrià oder René Redzepi 6)* und Co. In dieser Liga spielen nur ganz wenige, das ist die Avantgarde oder der Olymp der Küchenchefs – so wie es eben in der Kunst Gerhard Richter, Hockney und Hirst etc. gibt. Angesichts solcher Leistungen bleibe ich lieber bescheiden, bin gerne kreativ, aber immer und stets am Lernen und manchmal ist Omas Apfel-Strudel einfach ok und muss nicht dekonstruiert werden.

 

OLA: Aufgewachsen sind Sie in Nürnberg. Was hat Sie in die Oberlausitz geführt?

ChvE: Die Oberlausitz und meine Wahlheimatstadt Görlitz bieten mir alles was ich brauche um künstlerisch und kulinarisch tätig zu sein. Die Nähe zur Natur und unser kleiner Garten sind beispielsweise für mich sehr wichtig.

Der Nah-Erholungswert, die Landschaft der Oberlausitz und dieser wundervolle Berzdorfer See direkt vor der Haustür – all das ist nicht überlaufen und man findet noch Ruhe und Beschaulichkeit. Besonders schätze ich das entspannte Tempo in der Stadt und die Qualität nur über eine Brücke zu fahren und im Nachbarland Polen zu sein.

Die Vielfalt und Schönheit der Baudenkmäler ist beeindruckend und man entdeckt hier viel Schönes. Wichtig für mich, dazu polarisierend, aber auch das Verfallene, kaputte, noch Unfertige und Morbide.

Görlitz als Europastadt hat noch ein positives Wachstumspotential, es siedeln sich kleine Start ups und Mittelständler an und es gewinnt als Forschungsstandort zunehmend an Bedeutung.

Ja, und ganz besonders: die Menschen hier erlebe ich als aufgeschlossen, zugewandt und freundlich.

 

Oberlausitz-art bedankt sich, auch im Namen unserer Follower, für das interessante Interview.

Wir wünschen Ihnen weiterhin viel Erfolg in Küche und Atelier.

 

 

Charlotte von Elm

Bildende Künstlerin (Akad.)

 

www.vonelm.net

https://www.instagram.com/charlottevonelm/

 

Beitragsbild:  Jürgen Riedel

Bild im Text:  Michael Knufinke

 

1)* Design ist Kunst, die sich nützlich macht. Carlos Obers 1984,  Quelle: http://www.die-neue-sammlung.de/z/muenchen/faq/m-o_de.htm

2)*  Marshall McLuhan, Medien­analytiker, 1968

3)*  Pressetext Kunstmuseum Stuttgart, Eat Art. Vom Essen in der Kunst, 2010

4)*   Marcel Mauss: Die Gabe. Form und Funktion des Austausches in archaischen Gesellschaften, Ffm, 1968

5)*  Alois Wierlacher: Kulturthema Essen. Ansichten und Problemfelder, Berlin 1993

6)* Ferran Adrià, ist der Mitbegründer der Molekularküche, René Redzepi, Küchenchef Noma, das 2010 von der britischen Fachzeitschrift „Restaurant“ als „bestes Restaurant der Welt“ ausgezeichnet wurde.

 

Galeriebilder

1 und 2   Charlotte von Elm, 3   skull, 4   Vögel, 5   Malutensilien, 6   Ochse, 7   Lostcause, 8   Oyster, 9   Erdauto, 10   Mohn, 11   Hemingways Garden,

12   Installation, 13   Atelier, 14   Henkelmann, 15   Schürzen-Installation, 16   Installation, 17   Henkelmänner auf Schürzenstoff, 18   Charlotte von Elm,

19   Atelier, 20   Atelier von Außen

 

Motive wie Sand am Meer – Haiko Spottke

Motive wie Sand am Meer – Haiko Spottke

Artikel der Borkumer Zeitung

Haiko Spottke ist wieder an der Nordsee mit seiner Kamera unterwegs.  Nach der Idee, doch mal die vielen verschiedenen Sand-Strukturen zu fotografieren, entstand hier anspruchsvolle Fotokunst.

Die Strukturen im Sandstrand sind vielfältig, die Natur formt ihre kleinen Kunstwerke selbst.

Er hat hier in Borkum Sand mit der Kamera neu entdeckt. Was auf den ersten Blick nicht ersichtlich ist, sieht er am PC in seinen Bildern, feine Unterschiede, ungewöhnliche Farben und Strukturen. „Ich spiele mit den Farben der Mineralien, schaue, welche Töne besonders markant sind.“
Also ist Sand nicht gleich Sand, die Sichtweise ist entscheidend, wie so vieles im Leben.

Blick-Punkt – Fotografie – Haiko Spottke www.blick-punkt-fotografie.de

Ausstellung vom „Holzer“ Jürgen Spottke

Ausstellung vom „Holzer“ Jürgen Spottke

Seit langem wieder einmal stellt „Holzer“ Jürgen Spottke,

zusammen mit seinen über die Landesgrenzen hinaus bekannten Holzarbeiten,
auch wieder Malerei und Grafik aus.

Von 1972 bis 1974 besuchte er die Abendschule der Hochschule für Bildende Künste in Dresden im Fach Malerei/Grafik.

Am 03.05.2024 präsentierte er seine Werke, mit einer erfolgreichen Vernissage in der Carl-Lohse-Galerie in Bischofswerda, seinen Gästen.

Zu sehen ist die Ausstellung zu den offiziellen Besuchszeiten der Galerie  im Zeitraum
vom 03. Mai bis 28. Juni 2024.

Carl-Lohse-Galerie
Dresdener Straße 1
01877 Bischofswerda

Dienstag und Donnerstag  13:00 – 18:00 Uhr
Freitag    10:00 – 14:00 Uhr
Sonntag  14:00 – 17:00 Uhr
Außerhalb der Öffnungszeiten nach Absprache.

Mit der Berliner S- Bahn ins Zittauer Gebirge

Mit der Berliner S- Bahn ins Zittauer Gebirge

Jedes Jahr verbrachte ich den größten Teil meiner Sommerferien bei meinen Großeltern in Glienicke nördlich von Berlin. Sie wohnten in einem kleinen, flachen Häuschen auf einem großen Grundstück mit riesigen Kiefern, dichten Sträuchern, sieben Obstbäumen und zahlreichen Gemüsebeeten. Jeden Tag schlug ich meinen Bauch mit Augustäpfeln und gelben Pflaumen voll, während meine Großmutter mit dem vielen Obst die Einweckgläser füllte, sodass es den ganzen Winter für Kompott reichte.

Meine Lieblingsblumen waren Dahlien. Da sie deutlich größer waren als ich, stellte ich mich auf die Zehenspitzen um die gelben, die rot – weißen und lilafarbenen Blüten genau anzusehen. Ein besonderes Lob gab es, wenn ich einen Korb mit Kienäpfeln gesammelt hatte. Das war nicht meine Lieblingsaufgabe und so bummelte ich oft einen ganzen Tag herum, bis ich endlich eine Kiepe gefüllt hatte. Trotzdem brachte mir meine Großmutter dafür jedes Mal eine kleine Schokolade vom Kaufmann mit.

1966 schafften sich meine Großeltern einen Fernseher an. Damals glaubte ich, in Berlin gäbe es nur Westfernsehen, denn ein anderes Programm sahen wir nie in diesen Ferien. Westernserien wie „Bonanza“ oder „Rauchende Colts“ saugte ich förmlich auf. Kein Wunder, dass anschließend der riesige Sandkasten im Garten meiner Großeltern zur Prärie wurde. Die Kiefern standen jetzt in den Rocky Mountains, die Kaninchen im Stall wurden zu Farmtieren und der Haselnussstrauch hinterm Waschhaus war mein sicheres Versteck, um „Rothäute“ aufzuspüren.

Mein Großvater baute mir ein kleines Gewehr, so war ich gerüstet, für den Wilden Westen im Garten meiner Großeltern.

Wie jedes Jahr war ich mit dem Zug nach Glienicke gefahren. Meine Mutter hatte für mich eine Fahrkarte gekauft und mich im Zug dem Schaffner übergeben. So reiste ich im Dienstabteil bis nach Berlin-Schöneweide. Ein großes Packet mit Wurstschnitten und eine Thermoskanne mit heißem Tee zählten zu meinem Proviant. Ausreichend, um damit bis an die Ostsee zu kommen. Schon ab Königs-Wusterhausen klebte ich jedes Mal am Fenster und hielt Ausschau nach der Berliner S-Bahn. Die liebte ich besonders. Es faszinierte mich, dass ein Zug so ganz ohne Lok unterwegs sein konnte. Endlich in Schöneweide angekommen empfing mich meine Großmutter auf dem Bahnsteig. Ich freute mich riesig, nicht nur wegen ihr, sondern auch, weil es jetzt einige Stationen mit der S-Bahn weiter ging. Das Geräusch der Elektromotoren, das Klacken und Zischen beim Schließen der Türen. Dann fuhr sie los und ich hatte das Gefühl, in den Sitz gedrückt zu werden. Wenn uns eine Bahn auf dem anderen Gleis begegnete, wirkte die Fahrt doppelt so schnell. Ich hätte ewig damit unterwegs sein können.

Anschließend fuhren wir noch zwei Stationen mit der Straßenbahn und dann weiter mit dem Bus, den riesigen gelben Doppeldeckern. Mitten auf der Strecke, in Schildow, hielten wir an. Glienicke gehörte zu dem fünf Kilometer breiten Sperrbereich entlang der Grenze zu West-Berlin. Zwei Grenzsoldaten bestiegen den Bus und kontrollierten die Personalausweise. Für mich als Achtjährigen war das damals eine spannende Angelegenheit.

Als ich in diesem Jahr aus den Ferien zurückkehrte und meinen täglichen Schulweg ging, geschah etwas Aufregendes. Entlang der Hauptstraße laufend, blieb ich am Kurhaus stehen. Von dort oben hatte man einen guten Blick hinüber zum Bahnhof der Schmalspurbahn. Ich traute meinen Augen nicht. Auf dem Bahnhof stand ein Wagen der Berliner S-Bahn. Unfassbar.

Das musste ich aus der Nähe betrachten und so rannte ich los den Kurhausberg hinunter und auf der anderen Seite wieder hinauf in Richtung Bahnhof. Dort angekommen, sah ich keine S-Bahn, noch nicht mal die Bimmelbahn. Dabei hatte ich sie doch mit eigenen Augen gesehen. Zwar hatte sie nur aus einem Wagen bestanden, aber der Bahnhof in Jonsdorf war schließlich kleiner als der in Berlin. Und dann noch die Farben, Braun und Gelb, das musste die S-Bahn gewesen sein! Wir waren schließlich ein Kurort, das wusste ich genau. Alle zwei Wochen erreichten uns neue Urlauber und viele aus Berlin. Ich war mir sicher, dass die S-Bahn wiederkommen würde und ich in den nächsten Ferien mit ihr bis Berlin fahren könnte. Das würde der Hammer werden. In der Schule erzählte ich keinem von der Berliner S-Bahn, die ich auf dem Jonsdorfer Bahnhof gesehen hatte. Am Abend zu Hause musste ich meine wahnsinnige Entdeckung jedoch unbedingt loswerden und erzählte es meiner Mutter. Die schüttelte nur den Kopf und meinte, das sei völliger Blödsinn. Das könne nicht sein. Mein Bruder, dem ich ausmalte, dass er beim nächsten Mal mit zur Oma fahren könne, weil wir nicht umsteigen müssten, glaubte mir. Der war allerdings erst fünfeinhalb und glaubte mir sowieso alles.

Ab diesen Tag schaute ich jeden Morgen vom Kurhaus hinüber zum Bahnhof. Die Berliner S-Bahn in Jonsdorf blieb jedoch verschwunden.

Einige Jahre später las ich in einer Broschüre das erste Mal vom Dieseltriebwagen der Zittauer Kleinbahn. Er war in den dreißiger Jahren gebaut worden und bis in die sechziger Jahre ab und zu von Zittau nach Jonsdorf oder Oybin gefahren. Da er nicht besonders zuverlässig war, sogar manchmal aus den Gleisen rutschte und im Winter kaum die Höhenmeter bis nach Jonsdorf schaffte, wurde der Fahrbetrieb eingestellt. Schlagartig wurde mir klar, was ich damals auf dem Bahnhof in Jonsdorf gesehen hatte. Keiner konnte mir sagen, ob der Triebwagen noch existierte. Und jeder der etwas über ihn gehört oder gelesen hatte, war sich sicher, dass er nie wieder fahren würde!

Wieder einige Jahre später entdeckte ich ihn schließlich im Lockschuppen des Bertsdorfer Bahnhofes. Obwohl es ziemlich dunkel war, konnte ich ihn ganz genau erkennen. Etwas kleiner als die Berliner S-Bahn war er schon. Man hatte ihn auseinandergebaut und in viele Einzelteile zerlegt, aber es gab ihn tatsächlich.

Das neue Jahrtausend war gerade einmal sieben Jahre alt, als ein Flyer in unserem Briefkasten landete und ein Schmalspurbahnfest ankündigte. Die Überraschung sei, nach umfangreicher Instandsetzung, die Inbetriebnahme des neu restaurierten Triebwagens.

Endlich war es so weit, ich löste ein Ticket am Bertsdorfer Bahnhof für das Fest und eine einfache Fahrt. Schon von Weitem konnte ich den Triebwagen sehen. Mein Herz schlug höher. Auf dem Bahnsteig angekommen, stand ich nun endlich vor ihm. Nach über vierzig Jahren. Sein Dieselmotor hörte sich satt und kraftvoll an. Gerade noch zwei Plätze waren frei, als hätte er auf mich gewartet. Jetzt konnte ich ihn nicht nur sehen, sondern auch anfassen, einsteigen und sogar mit ihm fahren. Der Schaffner schloss die Türen und los ging die Fahrt. Ich schaute dem Lokführer oder besser gesagt dem Triebfahrzeugführer über die Schulter und konnte erleben, wie wir an Fahrt gewannen. Ich setzte mich wieder hin und blickte aus dem Fenster. Für einen kurzen Moment schloss ich die Augen und saß in der Berliner S- Bahn. Wir fuhren aber nicht nach Berlin, sondern nach Oybin.

Bild im Text, vom Triebwagen der Zittauer Schmalspurbahn,    Annett Lorenz, Jonsdorf

Meine Bücher hier kaufen

Keine Ergebnisse gefunden

Die angefragte Seite konnte nicht gefunden werden. Verfeinern Sie Ihre Suche oder verwenden Sie die Navigation oben, um den Beitrag zu finden.

Melde dich jetzt für unser Blog-Abo an und verpasse keine neuen Inhalte mehr. Wir informieren dich sofort.

Du erhältst Infos zu kommenden Ausstellungen, Vernissagen und anderen Veranstaltungen in der Oberlausitz.

Auch die neuen Beiträge unserer Schriftsteller bekommst du sofort per Mail.

Neue im Portal angemeldete Künstler werden vorgestellt.

UND NOCH VIELES MEHR …
Freue dich auf News aus der Oberlausitz!

Dein Team von oberlausitz-art

Hier anmelden:

https://www.oberlausitz-art.de/#blog-abo

„Wo Puppen und andere filzige Sachen entstehen“

„Wo Puppen und andere filzige Sachen entstehen“

Seit nunmehr knapp einem Jahr gibt es die
„Kamenzer Puppenstube“. Ein Treffpunkt für Künstler, Bastler und alle die sich einmal kreativ versuchen wollen und weder Wasser noch handwerkliche Arbeit scheuen. Die Möglichkeiten sich auszuprobieren und seine Ideen umzusetzen sind groß.  Einzig und allein der zu verwendende Werkstoff beschränkt sich  nur auf ein Material: Wolle.
Aus diesem entstehen hier die unterschiedlichsten Kunst- und Gebrauchsgegenstände.
Unter Anleitung von Puppenmacherin Katerina Nemcova verwandelt sich Wolle in bunte Vögel,  Wandbilder, Schmuck und vieles mehr.
Aber auch wenn vielleicht mal ein Projekt nicht beim ersten Anlauf gelingt, eine Erholung und Entspannung von Stress und Alltag ist es auf jeden Fall.
Wie alles genau funktioniert und wie es dazu kam; oberlausitz-art hat für Euch nachgefragt.

Frau Nemcova, warum Filzen? Wie sind Sie zu diesem Handwerk gekommen? Was fasziniert Sie so daran?

Handwerk hat mich schon immer interessiert. Zum Filzen kam ich vor einigen Jahren durch Beiträge im Internet. Dort wurde gezeigt, wie gefilzte Blumenkinder, Tiere, Landschaften und Bilder aus Wolle entstehen. Ich habe zuerst nur mit einer Filznadel gefilzt, z. B. Mäuse, Tiere, Feen…. Diese Technik heißt Trockenfilzen. Die Filznadeln sind spezielle Nadeln, die Widerhaken haben und dadurch werden die Fasern der Wolle durch das Stechen fester, sie verfilzen. Wenn man die Wolle  von unterschiedlichen Winkeln sticht, bekommt sie Form. So wird aus einem Stück Wolle eine Kugel oder ein Bär.

Aus was besteht dieses Material genau? Wie ist die Zusammensetzung?

Zum Filzen wird gewaschene und kardierte und gefärbte Schafwolle benutzt.

Beim Filzen gibt es verschiedene Techniken.
Es gibt auch die Wahl zwischen Nass- und Trockenfilzen. Was bevorzugen Sie?

Wie schon gesagt, ich habe mit Trockenfilzen angefangen. Vor allem benutze ich diese Technik für modellierte Gesichter meiner Puppen. Zum Nassfilzen kam ich später, als meine Kinder in die Schule kamen. Das Kind braucht doch auch eine gefilzte Zuckertüte!  (Lachen) Und wenn ich etwas lernen will, dann lege ich los. Die ersten Ergebnisse waren nicht so toll, wie ich es mir vorgestellt habe, aber man lernt mit der Zeit. Die Tochter war trotzdem glücklich.

Wie genau ist z.B. der Ablauf beim Herstellen eines Vogels? Was ist zu beachten?

Die Vögel werden mit der Technik Nassfilzen gefilzt. Ich tauche einen Wollknäuel in Seifenlauge (Seifenlauge entsteht durch warmes Wasser und ein Stück Seife) und lege immer neue Schichten Wolle darüber und forme mit den Fingern den Vogel. Flügel werden extra gefilzt und dann an den Körper des Vogels angefilzt. So einen Vogel zu filzen dauert ca. 1,5 Stunden.

Was lässt sich sonst noch alles aus Filz herstellen?

Alles, denke ich. Wenn man bei Pinterest schaut, findet man unglaublich viele Dinge: von Blumen, Tieren, Taschen, Windlichter, Lampen über Tischdecken, Bekleidung, Zuckertüten, Accessoires…

Was war bis jetzt die größte Herausforderung?

Na, ja, ich denke, die erste Zuckertüte. Da hatte ich noch nicht so viel Erfahrung mit Nassfilzen.

Welches war Ihre persönlich anspruchsvollste Arbeit?

Letztes Wochenende habe ich etwa 20 Blüten für eine Lichterkette-Blumengirlande gefilzt. Es hat ca. 6 Stunden gedauert. Das hatte fast kein Ende 🙂

Frau Nemcova, Sie geben Kurse zur Filztechnik in der „Kamenzer Puppenstube “ und gehen an Bildungseinrichtungen. Kann man Sie auch für private Events buchen?

Auf jeden Fall! Es werden hier kreative Kindergeburtstage gefeiert und ich biete das Filzen auch für Gruppen an.

Was gehört zur „Grundausstattung“ für einen Anfänger?

Märchenwolle in verschiedenen Farben, Olivenseife, eine Noppenfolie, ein Tablett, eine Schüssel mit warmem Wasser und ein Handtuch.

Welche anderen kreativen Angebote gibt es außerdem in der “ Kamenzer Puppenstube „?

Momentan ist es das Filzen, aber ich habe noch andere Ideen. Wir haben auch schon mal Upcycling ausprobiert.

Frau Nemcova, was verbindet Sie mit der Oberlausitz?

Wenn man sich die Geschichte der Stadt Kamenz anschaut, dann ganz viel. Oberlausitz gehörte mal zur Königreich Böhmen. Die Sprache der Sorben ist auch eine slawische Sprache. Die Osterbräuche und Trachten sind auch sehr ähnlich wie in Tschechien.

Herzlichen Dank für das Gespräch.
Oberlausitz-art  wünscht Ihnen viele neue Ideen und weiterhin viel Erfolg.

Der Kofferfahrer

Der Kofferfahrer

Es war Urlaubersaison im Zittauer Gebirge, zu Tausenden strömten die Feriengäste auch nach Jonsdorf. Anfang der siebziger Jahre kamen viele der Erholungssuchenden noch mit Bahn oder Bus. Die meisten von ihnen waren FDGB-Urlauber, im Volksmund „Effer“ genannt.

Immer dienstags war Anreise. Ein Tag, der für die zwölf- bis vierzehnjährigen Jungs einen kleinen Verdienst versprach. Mit Leiterwagen oder anderen Handwagen platzierten wir uns auf dem Vorplatz des Jonsdorfer Bahnhofes und warteten auf den ersten Nachmittagszug mit vielen Feriengästen.

Endlich hörten wir das Bimmeln der Zittauer Schmalspurbahn, das Schnaufen der Lock, das Zischen und Quietschen der Bremsen beim Einfahren in den Bahnhof. Neugierig reckten wir unsere Hälse nach oben, um möglichst die interessantesten Gäste zu entdecken. Am geeignetsten schienen Pärchen ohne Kinder. Die hatten nicht so viel Gepäck und gaben meist das beste Trinkgeld. Viele von ihnen waren in Privatquartieren untergebracht. Man bot den Gästen also an, deren Gepäck in das Urlaubsquartier zu befördern. Viele Urlauber nahmen dankend an und waren froh, ihre Koffer nicht selbst schleppen zu müssen. Als zusätzlicher Pluspunkt erwies sich dabei, dass alle Kofferfahrer genau wussten, wo sich die entsprechenden Ferienquartiere befanden. Die Höhe des Verdienstes hing von der Gunst der Urlauber ab. Feste Preise kannten die Kofferjungen nicht. Auch wussten sie vorher nicht, wessen Koffer sie wohin transportieren würden. Befand sich das Ferienzimmer beispielsweise auf dem „Lindenweg“, in der „Straße der Jugend“ oder der „Kleinen“ und „Großen Seite“, war es kein weiter Weg, dann hatte man Glück.

An diesem Dienstag, kurz vor den Sommerferien hatte mein Freund Karl-Heinz kein Glück. Das ältere Ehepaar, dem er seinen Dienst angeboten hatte, kam aus Frankfurt/ Oder. Der erste Schock, das Quartier befand sich im Kroatzbeerwinkel, fast zwei Kilometer weit entfernt. Der nächste Schock, die alten Leute hatten ein Enkelkind dabei, ein etwa vierjähriges quengelndes Mädchen mit Rotznase, schwarzen, langen Zöpfen und einer schrecklich grellen Stimme.

Der alte Leiterwagen wurde mit zwei Koffern, einer Tasche und dem Campingbeutel der rotznasigen Nervensäge vollgepackt. Los gings. Immer leicht bergauf, das ließ sich ziehen. Die Sonne, die sich ganz ohne Wolken am strahlend blauen Himmel vergnügte, setzte Karl-Heinz zusätzlich zu. Es war unerträglich heiß. Der Schweiß lief ihm übers Gesicht und den Rücken hinunter. Schon in Höhe von Schreiber-Malers Haus, nach gerade mal gut zweihundert Metern, hielt er an, um kurz zu verschnaufen. Schulze und seine Frau nutzten die Gelegenheit, um in die Reisetasche zu greifen, und einen Schluck Wasser zu trinken. Auch das Enkelkind wurde mit einem Schluck aus der Limonadenflasche versorgt. Karl-Heinz hatte keine Trinkflasche dabei, sein Mund blieb trocken. Die Kleine fing wieder an zu quengeln, sie könne nicht mehr laufen, und außerdem wolle sie einen Lutscher haben. Prompt parierte die schwitzende Großmutter und drückte ihrem Enkelkind einen Lutscher in die Hand. Herr Schulz stellte besorgt fest, dass es gar nicht gut sei, wenn ein Kind einen Lutscher im Mund habe, während es dabei die Straße entlanglaufe. Kurzerhand setzte er den Rotznasenlutscher mit auf den Leiterwagen: „Dat wirste schon schaffen, so‘ n süßed kleened Mädchen wiegt doch nich ville. So, jetzt sollte es weitergehen, wie weit isset denn noch?“ Karl-Heinz antwortete, während er ächzend am Leiterwagen hing: „Bestimmt noch eine halbe Stunde!“ Schulzes schauten sich gereizt an: „Wat, solange noch. Na det kann ja ‘n schöner Urlaub werden – am Arsch der Welt.“  Auf die Idee, Karl- Heinz schieben zu helfen, kam keiner der beiden. Endlich kam die Jugendherberge „Hilde Coppi“ in Sicht, das hieß, ab jetzt ging es ohne Steigung geradeaus. Trotzdem schwitzte Karl-Heinz unter der glutheißen Sonne und musste noch einmal anhalten. Schulzes Gemecker ging weiter: „Wat denn, schon wieder anhalten? Wir wolln in unser Ferienzimmer, uns ausruhen von der Reisestrapaze.“

„Schneller, schneller“, bläkte derweil die vom Lutscher verklebte Nervensäge oben auf den Koffern. Wortlos schindete sich Karl-Heinz mit dem voll beladenen Leiterwagen weiter in Richtung Kroatzbeerwinkel und hoffte auf eine angemessene Bezahlung, vielleicht zwei Mark oder wenigsten eine.

Er dachte an seine Schulfreunde, einige von ihnen waren bestimmt schon im Bad. Entfernt hörte er von unten auf der Straße das fröhliche Geschrei der Badegäste. Nun war es nicht mehr weit, bald hatte er es geschafft. Den Leiterwagen würde er beim Zurückfahren vor dem Bad bei den Fahrrädern abstellen. Das Geld, das er gleich bekommen würde, reichte mindestens für den Eintritt, ein paar Waffeln und möglicherweise sogar für ein Eis am Stiel.

Endlich hatten Karl-Heinz und seine Frankfurter „Taxigäste“ das Umgebindehaus, das für nächsten Tage das Urlaubsdomizil der Schulzes sein sollte, erreicht. „Watt denn, in so ‘ner Holzbude solln wa Urlaub machen?“, meckerte der arrogante Gast. „So, wat kriegste denn, Kleena?“ Ohne eine Antwort abzuwarten, Karl-Heinz hätte sowieso keinen Preis genannt, drückte er dem verschwitzten und noch schwer atmenden Kofferfahrer, 20 Pfennige in die Hand. „Det wird wohl reichen“, grinste Schulze von oben herab. Seine Frau schnappte sich das vom Lutscher verklebte Enkelkind, Rucksack und Reisetasche und folgte der wartenden Gastgeberin ins Haus.

Karl-Heinz aber war entsetzt über die erbärmliche Bezahlung. Das sollte alles sein? Für diese Schinderei? Das war der Gipfel. Damit käme er noch nicht einmal ins Bad rein, geschweige denn reichte es für Waffeln oder Eis am Stiel kaufen. Voller Wut schlug er dem grinsenden Schulze das Geld aus der Hand. Der drehte sich sofort um und verfolgte mit großen, ungeschickten Schritten den erst fliegenden und dann rollenden Zwanziger. Schulze fiel auf die Knie und griff nach dem Geldstück, stieß es dabei aber an, sodass dieses bis zu einem eisernen Fußabstreicher vor dem Hauseingang weiterrollte, wo es durch ein Gitterfiel. Noch bevor Schulze das Gitter aus der Einfassung heben wollte, um nach dem Zwanzig- Pfennig-Stück zu suchen, musste er mit Entsetzen feststellen, dass der aufgebrachte und um angemessene Entlohnung betrogene Karl-Heinz, im Eilschritttempo mit dem Leiterwagen und den sich noch darauf befindlichen Koffern losrannte. Der wütende Schulze brüllte zuerst nach seiner Frau, dann nach Karl-Heinz. Es nützte nichts. Karl-Heinz rannte wie besessen mit dem Leiterwagen und den beiden Koffern die Straße hinunter, am Bad und der Jugendherberge vorbei, bis zum Bahnhof. Schulze konnte dieses Tempo nicht mithalten. Erst als Karl-Heinz die Koffer von seinem Leiterwagen lud, kam Schulze angeschnauft. Völlig erschöpft und verschwitzt keuchte er: „Bist du wahnsinnig? Was soll das denn?“

„Ich habe es mir anders überlegt, ich fahre Ihre Koffer doch nicht“, antwortete Karl-Heinz, ebenfalls außer Atem. Er warf Schulze einen bösen Blick zu, drehte sich um und ging nach Hause. Dort polkte er aus seiner Sparbüchse einen Fünfzig-Pfennig-Stück und radelte ins Bad.

Von seinen Schulfreunden lange erwartet, musste Karl-Heinz haargenau berichten, warum er zu spät ins Bad gekommen war. Die Jungs grölten und schlugen dem Helden auf die Schulter. Siggi ging sogar an die Kasse und spendierte Karl-Heinz eine Packung Waffeln. Eis am Stiel war schon ausverkauft.

Meine Bücher hier kaufen

Keine Ergebnisse gefunden

Die angefragte Seite konnte nicht gefunden werden. Verfeinern Sie Ihre Suche oder verwenden Sie die Navigation oben, um den Beitrag zu finden.

Melde dich jetzt für unser Blog-Abo an und verpasse keine neuen Inhalte mehr. Wir informieren dich sofort.

Du erhältst Infos zu kommenden Ausstellungen, Vernissagen und anderen Veranstaltungen in der Oberlausitz.

Auch die neuen Beiträge unserer Schriftsteller bekommst du sofort per Mail.

Neue im Portal angemeldete Künstler werden vorgestellt.

UND NOCH VIELES MEHR …
Freue dich auf News aus der Oberlausitz!

Dein Team von oberlausitz-art

Hier anmelden:

https://www.oberlausitz-art.de/#blog-abo

Pin It on Pinterest

Share This