Hanoi ist eine wilde Stadt mit Charme. Auch im Januar ist es heiß und laut. Und so ist man über eine klimatisierte „Pause“ froh.
Das Museum wurde 1966 eröffnet und befindet sich im 1937 erbauten imposanten Gebäude einer ehemaligen katholischen Mädchenpension. Über 3 Etagen kann man durch viele Räume schlendern. Die lichtdurchfluteten alten Gänge dienen vielen jungen Leuten als willkommene Fotoshooting-Location. Meist in traditionellen Kleidern entstehen so schöne Fotos. Ganz oft habe ich das an markanten Plätzen in Hanoi gesehen.
Fotoshootings in der Stadt
Das Museum zeigt die bildende Kunst Vietnams. Es ist das wichtigste Kunstmuseum des Landes.
Ein Großteil der im Museum präsentierten Kunstwerke des 20. Jahrhunderts sind Volkserzählungen einer Nation in Verteidigung. Die Sammlung stützt sich auf Themen wie Martyrium, Patriotismus, militärische Strategie und Überwindung feindlicher Invasionen. Das Museum präsentiert eine Sammlung von Gemälden des späten 20. und frühen 21. Jahrhunderts, darunter Werke von Künstlern, die sich mit Abstraktion und abstraktem Impressionismus auseinandersetzen. Die ältesten Austellungsstücke umfassen beispielsweise die wertvollen Skulpturen aus Sandstein aus den Champa und Funan Königreichen und das elegant geschnitzte Amitabha Buddha Abbild, das um 1057 entstand.
Und am Ende steht ein kaltes Getränk und Kaffee im Museumscafé an. Der Kaffee wird hier überwiegend mit Eiswürfeln getrunken. Wenn man heißen Kaffee, wie gewohnt, haben möchte, muss man das extra betonen, öfters hatte das die Bedienung dann trotzdem vergessen. Diesmal ist es aber vietnamesischer heißer Kaffee mit süßer Kondensmilch unten im Glas, erst nach Umrühren schmeckt der gut.
In diesem Monat erwartet euch ein Roman nach einer wahren Geschichte.
Ein „Nicht-nur-Frauenroman“,
denn was wären die Männer ohne ihre Frauen …
Aus dem Regionalroman „Bunter Stoff“
Ein Rückblick in die achtziger Jahre im Osten Deutschlands.
Einmal wöchentlich treffen sich im Kulturhaus Frauen zum Nähen und kreativen Gestalten von Kleidungsstücken. Es werden Modenschauen organisiert.
Ein Hobby, das die Frauen bis heute verbindet. Jede Protagonistin hat ein Eigenleben mit ihren Alltagssorgen, Ängsten, Nöten, Eheproblemen. Die Gruppe wächst zusammen. Freundschaft verbindet. Doch die Zeit der achtziger Jahre, bis hin zur Wendezeit hat ihre Tücken. Was sich so leicht, fröhlich und locker anfühlt, ist einer Diktatur unterworfen, der sich niemand entziehen kann.
Das Kapitel ACHTER MÄRZ 1989
Michael hat seinen freien Tag. Er sitzt am Frühstückstisch mit einem Pot Kaffee und sieht seiner Frau zu, wie sie durch die Küche wuselt.
»Kannst du dich nicht einmal zu mir setzen, wo wir beide heute frei haben?«
»Frei…, nun ja, warum habe ich frei?«
»Oh sorry, ich vergaß – Kulturprogrammstress. Na dann viel Spaß«,
er steht auf, holt sich die Zeitung.
»Frauentag«, ruft sie ihm hinterher.
Doch er ist augenblicklich abgetaucht in seine Welt.
Achter März. Allerorts Kaffeetafeln, Schlagermusik, Kulturprogramme. Veranstaltungsleiter, Kellner, Barkeeper und Diskjockey sind die einzigen Männlichkeiten in den Kulturstätten an jenem Tag.
Die Modegruppe ist voll im Einsatz. Sie ahnen noch nicht, dass dies ihre letzten Frauentagsfahrten sein sollten.
Der Kleinbus – extra für die Gruppe gebucht – fährt sie übers Land. Von Veranstaltung zu Veranstaltung. Von Dorfclub zu Dorfclub,
Die Begrüßungsreden der Veranstalter, eine Hommage an die Frauen.
So achten sie sich selbst und werden geachtet. Aufgeregt, aber auch voller Freude und Elan, präsentierten sie sich mit ihren selbst gestalteten Kreationen. Leichte, locker beschwingte Bewegungen, begleitet von Schlagermusik. Die letzte Veranstaltung am Abend ist, wie jedes Jahr, in der Stadthalle. Tische und Stühle werden aufgestellt, und es gibt einen Mittelgang, der zur Bühne hinführt. Als Umkleide hat man der Modegruppe den Raum der Maskenbildnerin zur Verfügung gestellt.
Der Kulturhausleiter begrüßt die Gäste, hält zunächst eine lange Ansprache.
Einen Jahresrückblick über die geleistete Arbeit im Bereich Kultur und Bildung.
Dann beginnt die Show:
Eva geht zum Bühneneingang, sie schreitet zur Bühne. Ihr ist es, als ob sie durch Nebel läuft und nicht weiß, wann die Sonne kommt.
Sie lässt sich vom Diskjockey das Mikrofon reichen. Indem sie jedoch das Publikum begrüßt, ist alle Aufregung in ihr verflogen. Ina und Helene stehen schon in ihren Modellen bereit – Bauernröcke aus verschiedenen Stoffbahnen kreiert. Sie haben sich für Grün und Blau entschieden.
Ein charmantes Lächeln, eine Leichtigkeit und Eleganz.
Ina trägt zu ihrem Bauernrock einen Korb mit Äpfeln im Arm.
Die Musik ertönt:
Mode – du bist Königin der Welt,
führst ein sanftes Regiment,
verzauberst alle …
Als sie den Laufsteg betritt, kippt ihr der Korb nach vorn um, und die Äpfel rollen über den Boden. Sie funkeln im Rampenlicht, als wäre es eine eingeübte Showeinlage.
Eva hält den Atem an. Der Diskjockey reagiert schnell, dreht an der Lautstärke.
Doch die beiden flanieren durch die Zuschauerreihen, lachen sich zu, schaukeln den leeren Korb im Rhythmus der Musik und sammeln einen Apfel nach dem anderen wieder ein.
Graziös und gekonnt werfen sie die Äpfel in den Korb zurück.
Einige kullern dem Publikum entgegen.
Eva nimmt das Mikrofon, reagiert spontan:
»Wir wünschen den glücklichen Apfelbesitzern im Zuschauerraum einen guten Appetit.«
Ein tosender Beifall.
Nach gelungener Show herrscht fröhliche Ausgelassenheit. Es gibt Kaffee und Kuchen, herzhafte Häppchen vom Büfett, warme Speisen. Getränke aller Art. Um sie herum wird geredet, gelacht und geschwatzt.
Ihre Worte – viele hin und her Kaskaden. Dieser Tag, ihr Tag. Frauentag eben.
…aus dem Roman „Bunter Stoff“ – ISBN 978354327814 Das Buch ist auch in der Bücherstube Schirgiswalde erhältlich!
Heute hier mein 2. Teil zur Geschichte vorab mit einem Zitat, das nachdenklich macht.
Wer vor der Vergangenheit die Augen verschließt, wird blind für die Gegenwart. (Richard von Weizsäcker)
„Die Kinderschuhe“
Es gab Momente, da spürte sie, dass der nächste das Leben auf immer verändern wird.
Das rote Ziegelhaus. Die dichte Metalltür, die sich am Morgen mit lautem Knallen hinter ihr schließt, das ist so ein Moment.
In aller Frühe bringt der Bus sie nach Oswiecim.
Es hatte die ganze Nacht geregnet. Auf den Lichtleitungen sitzen Schwalben wie schwarze Noten in einer Partitur.
Von der Bushaltestelle führt der Weg vorbei an zubetonierten Gleisen und verwilderten Schrebergärten, einem Zwinger in dem ein Schäferhund bellt …
»Du musst den Wattetupfer anfeuchten. Das Leder absorbiert Fett besser, wenn es feucht ist«, erklärt ihr der Restaurator.
Ein Raum, steril und kalt, wie in einem Krankenhaus.
Halogenlampen,weiße Keramikfliesen an der Wand. Mikroskope. Geruch von Chemikalien in der Luft.
Ein riesiger Tisch, bedeckt mit einem Vlies.
Ein weißer Kittel, Gummihandschuhe, ein kleiner Pinsel.
Ein Kinderschuh in ihrer Hand, von dem sie vorsichtig mit einem Wattetupfer den Staub der Jahre entfernen muss.
Sie hätte in Kraków eine Stelle finden können: Polnischer Denkmalschutz, Kloster Mogila zum Beispiel.
Sie hätte wissen müssen, was sie erwartet. … sie hat es gewusst.
Sie sitzt in Fensternähe, mit dem Wattetupfer in der Hand, schaut auf einen rostigen Stacheldrahtzaun, ein verwittertes Warnschild: Vorsicht! Elektrozaun!
Hinter blühenden Holunderbüschen ist vage das Tor zu erkennen, das berüchtigte Tor, das Freiheit versprach. Deutsche Worte. Wenige nur noch und doch zu viele.
Ihr frisch präparierter Schuh liegt auf dem Tisch und sie sucht in der Holzkiste nach dem zweiten – hellblau, Größe achtundzwanzig.
Sie sieht Angstaugen zwischen dem Leder. Sie gleitet behutsam über die Schuhe, als könne sie so all die Kindertränen trocknen.
Zirka 8 000 Kinderschuhe … Sie hat im Internet recherchiert.
Neben ihr sitzt die polnische Kollegin Sylwa, die an einem Lederkoffer arbeitet.
Luise Neumann, weiße Schriftzeichen auf braunem Grund. Wenigstens hat Sylwa einen Namen, an dem sie sich festhalten kann, denkt sie und sieht die kleine Luise, wie sie den Koffer packt …
Was wird sie damals mitgenommen haben?
Klick … klack, das klickende Geräusch der kurzen eiligen Schritte, die durch den Raum hallen, Sylwas Absätze.
Kaffeepause, schnappende Geräusche von Latexhandschuhen, die sich die Restauratoren von den Händen ziehen. Polnische Laute. Lachen, schwatzen, essen.
Sie sitzt stumm und fremd dabei. Ihr Frühstücksbrot klemmt irgendwo zwischen Speiseröhre und Magen.
Auf dem Heimweg hämmert ihr Herz, je näher sie ihrer Wohnung kommt.
Krzysztof …, sie kann ihn nicht in die Arme nehmen, ohne an die Kinderschuhe zu denken.
Nachts hält sie die Augen starr geöffnet, ins Dunkel schauend, als könne sie so die Gedanken wegwischen und die Zeit anhalten, die sie durch ihr Schweigen immer weiter von Krzysztof entfernt.
Als die Müdigkeit sie übermannt, schwebt über ihr eine dunkle Wolke.
Schreie bevölkern ihren Kopf, Bilder, menschliche Gestalten. Wenn die Bilder in Zeitlupe zurückrollen, zurückgespult wie ein Videofilm, wenn im Zeitraffer die Menschen rückwärts aus den Kammern kommen, ihre faltigen Körper aufrichten, sich straffen, sich ankleiden, die Schuhe zuschnüren, ihre Koffer nehmen, sich an den Händen halten … , kann sie einschlafen.
Oft ist Krzysztof dicht neben ihr und hält ihren zitternden Körper im Arm: »Hast du schlecht geträumt?«
»Ich kann hier nicht bleiben …«
Krzysztofs Hände liegen auf ihren Schultern: »Geh nicht weg«, flüstert er.
»Versprich mir, dass du nicht weggehst.«
Nach einigen Minuten, die sie damit beschäftigt ist, die Enge im Brustkorb und Hals zu lösen und die Nässe in den Augen herunterzuschlucken, bricht sie das Schweigen: »Ich gehe nach Berlin zurück …«
Da lässt er seine Arme sinken, als hätte die Schwerkraft ihn besiegt. Tränen steigen ihr nun doch in die Augen, laufen über das Gesicht und sie ist dankbar für die Dunkelheit im Raum.
„Die Kinderschuhe“, aus dem Erzählband Kraniche im Ruderflug, ISBN 9783741272844
Lange Zeit lagen seine Malereien, Grafiken und Aquarelle, Fotografien, Ölgemälde und Zeichnungen mit Pastellfarben zusammengeschnürt in Mappen verstaut. Die Zeugen eines künstlerisch schaffensreichen Lebens fristeten ein unbeachtetes Dasein in seiner Wohnung in der Zittauer Innenstadt. Thomas Eichler entdeckte Sie für sich wieder.
Im Ruhestand angekommen hat er heute einen eigenen neuen Blick auf seine Kunstwerke. Warum das so ist, wie es dazu kam; oberlausitz-art hat für Euch nachgefragt.
Herr Eichler, wie sind Sie zur Malerei gekommen? Wo liegen Ihre künstlerischen Wurzeln?
Schon in der Schule war Malen und Zeichnen mein Lieblingsfach. Aber erst später, als ich schon in Senftenberg verheiratet war, habe ich die Leidenschaft zum Malen wiederentdeckt. Ein Kollege, der am Rechenzentrum gearbeitet hat, zeigte mir einmal Kopien von Vincent van Gogh und William Turner. Da war ich so begeistert, dass ich das sofort probieren wollte. Also habe ich mir sofort Ölfarben und Pinsel besorgt und habe, so wie ich es mir dachte, einfach begonnen. Das erste Bild, an das ich mich gewagt habe, war „Das Mädchen mit dem Perlenohrring“ von Jan Vermeer van Delft. Bekannte und Verwandte waren ganz scharf auf die Kopien. Ja, so fing das an.
Sie sind bekannt als Theater- und Pressefotograf. Ist Ihre Fotografie die Basis zur Malerei gewesen?
Das kann man so eigentlich nicht sagen. Durch meine Kopien der alten Meister hatte ich Kontakt zum Mal- und Zeichenzirkel in Senftenberg bekommen. Die fanden mich ganz talentiert und haben mich nach Cottbus an die Spezialschule für Malerei und Grafik geschickt. Dort hab ich mit „sehr gut“ abgeschlossen. Mein technischer Beruf hatte mich nicht ausgefüllt, Abitur durfte ich in der DDR nicht machen, aber ich wollte mich unbedingt weiterentwickeln. Also habe ich noch Unterricht in klassischer Gitarre genommen und nach meinem Umzug zurück in die Oberlausitz, nach Zittau, 12 Jahre an der Musikschule Görlitz unterrichtet. Dann habe ich im Theater als Tontechniker angefangen und nebenbei auch Theaterplakate entworfen. Dann ging der dortige Theaterfotograf weg und ich bin eingesprungen als Fotograf und grafischer Gestalter.
Gab es für Sie eine künstlerische Ausbildung oder sind Sie ein Autodidakt?
Ich bin auf allen Gebieten ein Autodidakt. Die Spezialschule für Malerei und Grafik und der Musikunterricht haben mich dann noch gefestigt.
Stimmt es, dass Sie sich zu Beginn Ihrer Malerei sofort, und das mit Erfolg, an die Gemälde der großen Meister gewagt haben? Was hat Sie dazu inspiriert, Kopien in Öl anzufertigen?
Ja, wie gesagt, mein Kollege hatte mich mit seinem Ausdruck von Vincent van Gogh so begeistert, dass ich tatsächlich in der ersten Zeit mit Erfolg viele alte Meister kopiert habe. Bildbände von solchen historischen Kunstwerken und deren Künstler wie Albrecht Dürer, Frans Hals, Rembrandt und später auch Prof. Werner Tübke haben mich stark beeindruckt und geformt.
In welchen Stilrichtungen haben Sie gearbeitet? Liegt Ihnen die Ölmalerei am besten?
Die Ölmalerei ist sehr aufwendig. Im Zeichenzirkel bin ich dann zur Radierung gekommen. Das ist eigentlich noch aufwendiger. Erst muss man zeichnen, dann die Zeichnung seitenverkehrt auf die Platte bringen, das Blatt zu Probezwecken mehrmals drucken und die Platte korrigieren. Danach folgt erst der saubere Druck. Der ist auch immer so ein Spiel mit der Geduld. Aber festlegen, was mir am besten liegt, würde ich mich nicht. Aquarell, Pastell, Malerei und Grafik, alle haben ihre Besonderheiten und Reize. Meine Collagen sind für mich sehr persönlich und intim.
Warum haben Sie Ihre Werke nie in Ausstellungen präsentiert?
Das stimmt so nicht. Ich durfte oft meine Werke in Ausstellungen, Pleinairs, Verkaufsausstellungen usw. präsentieren. So z.B. in Cottbus, Senftenberg, Zittau, in Betrieben und Gaststätten. Habe auch Auszeichnungen bekommen.
Herr Eichler, seit ein paar Jahren leiden Sie an einer fortschreitenden Sehschwäche. War das der Anlass, sich mit Ihrer eigenen Kunst neu zu beschäftigen?
Das war nicht der Anlass. Der Anlass war ein misslungener Kauf auf einer großen, bekannten Ankauf- und Verkaufsplattform im Internet. Der Erwerb eines Ausstellungsplakates von Neo Rauch war da mein erklärtes Ziel. Auf Grund meiner Augenkrankheit habe ich da aber leider eine Null zu wenig gesehen. Dem Verkäufer war das natürlich egal und somit war das überteuerte Plakat dann doch, nach einigem Hin und Her, meins. Den Fehler wollte ich natürlich nicht ein zweites Mal machen und ich besann mich wieder auf meine eigene Kunst, die ja auch ausstellungswürdig ist. Da habe ich dann angefangen Bilderrahmen zu sammeln und meine Wände zu dekorieren.
Ihre kleine Galerie, in Ihren eigenen „4 Wänden“, ist sehenswert und für Sie ein Rückzugsort der Entspannung und Erholung. Empfangen Sie da auch Besucher? Sind Ihre Werke jetzt zu besichtigen?
Das ist generell möglich. Nur bitte vorher anrufen. Wenn mein Gesundheitszustand es erlaubt, können wir gern einen Termin machen.
Was können Sie, aus ihrer Erfahrung, jungen Künstlern mit auf den Weg geben?
Da gibt es eine ganze Menge dazu zu sagen. Die Voraussetzung ist natürlich Fleiß. Üben, üben, üben. Schließen sie sich einem Zeichenzirkel an. Nutzen sie jede Chance sich Theorie anzueignen. Mit Literatur, mit Videos, mit Gruppenarbeit usw.. Gehen sie in die Details, in die Anatomie, zum Beispiel das Zeichen einer Hand, einer Bewegung. Machen sie Naturstudien, Stillleben und Portraits. Seien sie fleißig.
Herr Eichler. Sie leben mitten in der Oberlausitz. Wie tief sind Sie mit Ihrer Heimat verwurzelt? Was lieben Sie besonders?
Die Liebe zur Landschaft in der Oberlausitz hat mich in den 90gern wieder aus der Braunkohlegegend um Cottbus in die Heimat geführt. Die Menschen hier sind zwar etwas verschlossener als nördlicher, aber ebenso liebenswert. Manchmal steht man sich halt etwas selbst im Weg. Selbst habe ich jedenfalls immer versucht, mich schöpferisch in der Kulturszene zu bewegen. Dinge nicht nur anzustoßen, sondern auch anzupacken, war immer mein Motto. Manches hat geklappt, manches halt nicht. Zuversichtlich bin ich aber immer noch.
Vielen Dank für das interessante und offene Interview. Oberlausitz-art wünscht Ihnen alles Gute und noch viele schöne, anregende Gespräche mit den Besuchern Ihrer „Privatgalerie“.
Franz Grohmann wurde am 21.3.1877 in Schirgiswalde geboren.
Er war verheiratet und hatte 4 Kinder, Paul, Franz, Marie und Alfred.
Er war Lohnfuhrmann in Schirgiswalde.
Gestorben ist er am 18.8.1949.
Ehemaliger Wegweiser am Otto von Ottenfeld – Platz
Ursprünglich stand ein dreiteiliger Wegweiser mit einer Lokomotive (zum Bahnhof), ein Wanderer (Nach Sohland) und Lohnfuhrmann Grohmann (nach Bautzen) unmittelbar vor der Sparkasse.
Heute steht nur noch Lohnfuhrmann Grohmann (nach Bautzen).
Foto: Enkel Christian Grohmann (Foto SZ/Uwe Soeder)
„Stadt stellt alten Wegweiser wieder auf“
Von Katja Schäfer /.
SCHIRGISWALDE
Spediteur Christian Grohmann freut sich, dass ein Abbild seines Opas restauriert wurde. Der war einst Fuhrmann.
Franz Grohmann war einst eine wichtige Person in Schirgiswalde. „Zweimal die Woche, jeden Mittwoch und jeden Sonnabend, ist er mit seinem Pferdewagen nach Bautzen gefahren, hat verschiedene Waren hingeschafft und andere Dinge mitgebracht“, erzählt sein Enkelsohn Christian Grohmann.
Bis zum Beginn des Krieges war der Fuhrmann auf diese traditionelle Weise unterwegs. Später hat ihm Schirgiswalde auf ganz eigene Art ein Denkmal gesetzt.
Wie viele andere Persönlichkeiten auch wurde Franz Grohmann auf einem Wegweiser verewigt. Zahlreiche der geschnitzten und bemalten Kunstwerke stehen über das ganze Stadtgebiet verteilt. Einer zeigt zum Beispiel zum Heimatmuseum, ein anderer in Richtung Kälbersteine.
Das ganze Jahr über sind die außergewöhnlichen Wegweiser schutzlos Wind und Wetter ausgesetzt. Die Figur von Franz Grohmann war dadurch irgendwann so beschädigt, dass sie in einem Depot verschwand. Der Enkelsohn des Fuhrmanns fand das schade. “ Ich habe immer wieder mal bei der Stadt nachgefragt, ob der Wegweiser wieder aufgestellt werden kann. Das ging einige Jahre hin und her“, erzählt Christian Grohmann.
Jetzt ist er sehr glücklich darüber, dass die Figur seines Opas seit kurzem wieder am Otto-von-Ottenfeld-Platz steht. „Ich freue mich sehr, dass die Schnitzerei saniert worden ist“, sagt der Schirgiswalder. Wie Bürgermeister Patric Jung hervorhebt, hat Christian Grohmann die Wiederherstellung der alten Figur „großzügig unterstützt“.
40-TONNER STATT PFERDEWAGEN
Dem Enkelsohn des legendären Fuhrmanns war das „einfach ein inneres Bedürfnis“; führt er doch mit moderner Technik fort, was sein Opas einst mit seinem Pferdewagen begann. Christian Grohmann betreibt am Schirgiswalder Lärchenberg seit 20 Jahren eine Spedition. 13 Fahrzeuge, darunter acht 40- Tonner, lässt er durch ganz Deutschland, aber auch Polen, Italien, Frankreich und andere europäische Länder rollen. 14 Angestellte sind bei ihm beschäftigt.
„Eigentlich wollte ich schon 1983 meine eigene Spedition gründen. Aber damals habe ich das nicht genehmigt bekommen“, erzählt Christian Grohmann.
Weil er aber schon ein Auto angeschafft hatte, machte er aus der Not eine Tugend und widmete sich dem Altstoff-Geschäft. Sein Ziel verfolgte der Schirgiswalder aber dennoch hartnäckig weiter.
1988 konnte er dann endlich seinen Wunsch wahr machen und in die Fußstapfen seines Großvaters Franz Grohmann treten.
In den kommenden Wochen erfahren Sie mehr über die wegweisenden Persönlichkeiten der Stadt Schirgiswalde. NÄCHSTE AUSGABE : 13. März 2025
“ Sattlermeister August Kutschke„
Wer mehr über die Wegweiser der Stadt, oder über die Geschichte der Stadt Schirgiswalde erfahren möchte, das Heimatmuseum erwartet Sie.
Ich habe heute eine kleine Liebesgeschichte – einen ersten Teil – aus meinem Kurzgeschichtenband herausgesucht. Der zweite Teil dazu – bedrückend ernst – erwartet euch in der zweiten Hälfte des Monats.
Eine Liebe in Kraków, Prolog zu der Geschichte: »Die Kinderschuhe«
Darf ich dich ins Kino einladen? Krzysztof sprach ein gutes Deutsch. Sie hatte mit Zettel und Kugelschreiber an der Pinnwand gelehnt, um die Wohnungsangebote für Studenten abzuschreiben. Er hatte gelacht, als ihr Kugelschreiber plötzlich streikte, weil sie an der Wand schreibend, ihn zu schräg gehalten hatte. Als er dann gegangen war, sah sie ihm nach. An der Treppe war er noch einmal umgekehrt, kam geradewegs auf sie zu. Sie hatte sich schnell abgewandt, sich zu ihrer Laptoptasche gebückt, die zwischen den Knien klemmte. Da hatte er die Frage mit dem Kino gestellt.
Sie erinnerte sich, dass sie nervös wie eine Achtzehnjährige beim Abiturball vor dem Kino stand und alle paar Minuten auf ihre Uhr geschaut hatte. Sie hatte sich vorgestellt, wie sie mit Krzysztof im Dunkeln sitzt, sich von ihm küssen lässt, sie würden beide den Handlungsfaden des Films verpassen, sie würde an seiner Schulter lehnen … Jedoch er kam, als der Film schon lief. Sie saßen in der dritten Reihe und schauten starr auf die Leinwand, als würde ihnen von dort die Zukunft vorausgesagt. Später, in der Studentenkneipe „Zum Paulaner“, sah sie seine Augen in metallischem Blau leuchten, die Kerze auf dem Tisch flackerte. Krzysztofs Finger spielten mit dem Stiel des Weinglases. Er erzählte von seiner Familie. Von seinem Bruder, der zur Spargelernte und auf dem Gurkenflieger, in Deutschland arbeitet. Sie sagte nichts. Sie hörte ihm einfach zu. Sie trank und spürte im Körper ein leichtes, wolkiges Flirren, als sich seine Hand über die Tischplatte tastete. Krzysztof hatte den Master an der Universität abgeschlossen und eine Architektenstelle in seiner Heimatstadt Krakow bekommen. Um in Krzysztofs Nähe zu sein, hatte sie sich für die Stelle in Oswiecim eingetragen – eine neu eingerichtete Konservierungsabteilung warb in einer Fachzeitung um Praktikanten.
Vierzehn Tage hatte sie noch frei, richtete die erste gemeinsame Wohnung ein: Sessel, Tisch, Kommode, versuchte durch die Anordnung der Möbelstücke, dem Raum die Beengtheit zu nehmen. Sie nähte Vorhänge für die Fenster, kaufte Vasen, bestückte sie mit frischen Blumen. Herzklopfen am Abend: Das Klicken im Schloss der Wohnungstür, die vertrauten Schritte, vertrautes Räuspern. Er stand vor ihr, hielt in der Hand einen Blumenstrauß, lächelte. Vor dem Einschlafen lag ihr Kopf zwischen Krzysztofs Armen. Kerzen flackerten und Blumenschatten tanzten an den Wänden. Er las ihr vor – Erzählungen, polnische Prosa, die er beim Lesen geschickt ins Deutsche übersetzen konnte. Manchmal versuchte sie, das Polnische zu lesen. Sie stolperte über Silben, als seien es Treppenstufen. Zungenbrecher, sagte Krzystof, und stolperte ebenfalls: …tschi und dsche. Sie lachten und ließen die Buchstaben durch die Luft wirbeln. Als es von der Kirchturmuhr zehn schlug, legte er das Buch zur Seite, ging zum Fenster, um es zu schließen, kroch unter ihre Bettdecke, so dass sein Kopf jetzt auf ihrer Brust ruhte.
In der Umhängetasche den Baedeker über Kraków, in der Hand den Stadtplan, so lief sie durch die Straßen. Sie trug ihr rotes, knielanges Kleid, das hellbraune Haar weit nach oben am Kopf zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Touristen allerorts. Ein Sprachgewirr, das wie ein buntes Netz über der Stadt lag.
Sie besuchte das Czartoryski-Museum, saß lange Zeit vor Leonardo da Vincis Dame mit dem Hermelin.
In der Marienkirche stand sie beeindruckt im Chorraum vor dem spätgotischen Hochaltar des Bildhauers Veit Stoß. Sie lief durch die Stadt, bis ihr die Füße wehtaten. Sie saß am Weichselufer, schaute auf den Wawel, mit den Türmen von Schloss und Kathedrale, sie streifte ihre Sandalen ab, rieb die Zehen gegeneinander und bemerkte, dass der Nagellack abblätterte.
Dann gab es Momente, da spürte sie, dass der nächste das Leben auf immer verändern wird …
Aus dem Erzählband Kraniche im Ruderflug, ISBN 9783741272844
Wer hat nicht schon einmal davon geträumt, im Rampenlicht und Blitzlichtgewitter zu stehen. Sich von seiner besten Seite zu zeigen. Sich als Mittelpunkt zu fühlen und für die schönste Ewigkeit auf Fotos bewundert zu werden. Einfach das Gefühl zu haben: „Das ist mein Moment“.
Claudia Husseck ist da für Sie genau die Richtige. Eine Fotografin mit Einfühlungsvermögen.
-FÜR ALLE, DIE MEHR WOLLEN ALS „NUR“ BILDER-
„Die Fotografie ist für mich nicht nur ein Beruf, sondern eine Leidenschaft. Jeder Moment erzählt eine einzigartige Geschichte, und es ist meine Aufgabe und Freude, diese Geschichten in Bildern für die Ewigkeit festzuhalten“.
Was die Fotografin mit der Oberlausitz verbindet, wie sie zur Kunst steht und auf was sich ihre Kunden alles freuen dürfen; oberlausitz-art hat für Euch nachgefragt.
Frau Husseck, wie nahe sehen Sie sich, als Eventfotografin, an der Kunst?
Was unterscheidet und verbindet Sie mit der künstlerischen Fotografie?
Gibt es überhaupt Unterschiede?
Als Eventfotografin sehe ich meine Arbeit definitiv als eine Form der Kunst. Die Verbindung zur künstlerischen Fotografie liegt in der Fähigkeit, Emotionen und Geschichten durch Bilder auszudrücken. Der Unterschied besteht vielleicht darin, dass Eventfotografie oft einen dokumentarischen Charakter hat, während künstlerische Fotografie mehr Raum für kreative Inszenierung bietet. Dennoch fließen beide Bereiche ineinander über, da auch bei Events Kreativität gefragt ist, um einzigartige Momente festzuhalten.
Wie sind Sie zur Fotografie, speziell zur Familien- und Hochzeitsfotografie, gekommen?
Wo haben Sie Ihr Handwerk gelernt?
Meine Leidenschaft für die Fotografie begann schon in meiner Jugend. 2016 startete ich mit einer Facebook-Seite und erhielt immer mehr Anfragen. Die Spezialisierung auf Familien- und Hochzeitsfotografie ergab sich aus meiner Freude daran, bedeutungsvolle Lebensmomente festzuhalten. Mein Handwerk habe ich mir durch Workshops, Weiterbildungen und viel Praxis selbst angeeignet.
Besonders die Hochzeitsfotografie hat ihre besonderen Eigenschaften und Momente.
Wie bereiten sie sich auf solch ein Shooting vor?
Für Hochzeiten bereite ich mich intensiv vor, indem ich im Vorfeld ausführliche und persönliche Gespräche mit dem Paar führe. Es ist mir besonders wichtig, ein freundschaftliches Verhältnis zu meinen Paaren aufzubauen und sicherzustellen, dass wir dieselben Vorstellungen für den großen Tag teilen. Ich möchte mehr als nur eine Dienstleisterin sein; ich strebe danach, Teil des besonderen Moments zu werden und die Geschichte des Paares authentisch einzufangen. Dazu gehört auch, die Location im Voraus zu besichtigen und den Ablauf des Shootings sorgfältig zu planen, um alle wichtigen Momente festzuhalten. Diese Vorbereitung hilft mir, flexibel auf unvorhergesehene Ereignisse reagieren zu können und sicherzustellen, dass das Paar sich wohlfühlt und die Fotos ihre einzigartigen Emotionen widerspiegeln.
Welche Themenart Ihres fotografischen Angebotes ist für Sie am anspruchsvollsten?
Jede Art von Fotografie hat ihre eigenen Herausforderungen, aber Hochzeiten sind besonders anspruchsvoll aufgrund der Einmaligkeit des Ereignisses und der Vielzahl an unvorhersehbaren Momenten.
Wo fotografieren Sie bei Ihren Events am liebsten? Im Studio oder in „natürlicher“ Umgebung?
Ich liebe es, sowohl im Studio als auch in natürlicher Umgebung zu fotografieren. Jede Location hat ihren eigenen Charme: Das Studio bietet Kontrolle über Licht und Kulisse, während natürliche Umgebungen authentische und lebendige Hintergründe bieten.
Mit Sicherheit passieren bei solchen speziellen Terminen auch unerwartete Ereignisse.
Was war da zum Beispiel Ihr schönstes Erlebnis?
Woran denken sie nicht so gern und wie gehen Sie mit kleinen Pannen um?
Unerwartete Momente erlebe ich oft mit Kindern, denn bei ihnen kann wirklich alles passieren – von Heulanfällen bis hin zu überschwänglicher Freude. Ein besonders schönes Erlebnis in diesem Jahr war ein kleines Mädchen, das eine Puppe zum Shooting mitbrachte und mich ganz stolz fragte: ‚Weißt du, wie meine Puppe heißt? CLAUDIA, genau wie du!‘ Dabei strahlte sie über beide Ohren. Solche Momente bringen mein Herz zum Leuchten und bestätigen mir immer wieder, dass ich genau das Richtige mache. Natürlich gibt es auch Herausforderungen, aber ich gehe gelassen damit um und sehe sie als Teil des kreativen Prozesses an. Wichtig ist es, flexibel zu bleiben und den Moment so zu nehmen, wie er kommt.
Die heutige Fototechnik ist auf einem sehr hohen Entwicklungsstand. Muss es immer die
neueste Technik, die beste Hasselblad sein?
Oder auf welche Qualitäten setzen Sie?
Können Sie Hobbyfotografen da Tipps geben?
Es muss nicht immer die neueste Technik sein; vielmehr kommt es darauf an, wie man die vorhandene Ausrüstung einsetzt. Der Schlüssel zum Erfolg liegt im konstanten Üben und der Bereitschaft, nie aufzuhören zu lernen und Neues auszuprobieren. Meine persönliche Stärke liegt in der klaren Vorstellung vom fertigen Bild, noch bevor ich den Auslöser drücke. Diese Vision hilft mir, gezielt auf das gewünschte Ergebnis hinzuarbeiten. Ich empfehle Hobbyfotografen, sich intensiv mit den Grundlagen von Licht und Komposition auseinanderzusetzen und ihre Kamera in- und auswendig zu kennen. Durch kontinuierliches Experimentieren und Lernen kann man seine Fähigkeiten stetig verbessern und seinen eigenen Stil entwickeln.
Sie „produzieren“ viele Fotos mit schönen, seltenen und emotionsvollen Motiven.
Für Einzelpersonen, Familien und Gesellschaften.
Immer vor eindrucksvollen und edlen Kulissen. Stellen Sie diese Arbeiten auch in Ausstellungen aus?
Bisher habe ich meine Arbeiten noch nicht in Ausstellungen gezeigt, aber es wäre sicherlich eine spannende Möglichkeit, meine Fotografien einem breiteren Publikum zugänglich zu machen.
Wie sind Sie, als Oberlausitzerin, auf Wilthen, als Standort für ihr Studio gekommen?
Als gebürtige Oberlausitzerin habe ich nach einem kurzen Stadtleben im Jahr 2010 beschlossen, mit meinem Mann und unseren Kindern wieder in die Region zurückzukehren. Die Entscheidung, mein Fotostudio in Wilthen zu eröffnen, war ein glücklicher Zufall. Die zentrale Lage des Studios ist ideal für meine Kunden, und die kostenfreien Parkmöglichkeiten sind ein zusätzlicher Vorteil. Es fühlt sich einfach richtig an, hier zu arbeiten und meine Leidenschaft für die Fotografie in einer Umgebung auszuleben, die mir so vertraut und lieb ist.
Frau Husseck, was verbindet Sie mit der Oberlausitz?
Ich liebe die Oberlausitz und die umliegende Region sehr, insbesondere wegen ihrer natürlichen Schönheit und Vielfalt. Die Kulissen der Umgebung eignen sich perfekt für Outdoor-Shootings. Die zahlreichen Wanderwege und Seen sind nicht nur ideal für kleine Auszeiten mit meiner Familie, sondern auch wunderbare Orte, um einzigartige und inspirierende Fotos zu machen. Diese Umgebung ermöglicht es mir, meine kreative Vision voll auszuleben und meinen Kunden unvergessliche Erlebnisse und Bilder zu bieten. Zudem ist diese Region für mich ein wunderbarer Rückzugsort von der Hektik des Alltags und des Berufslebens.
Frau Husseck, oberlausitz-art wünscht Ihnen weiterhin viel Erfolg, zufriedene, glückliche „Models“ und immer das richtige Licht.
Der Schnee fällt ungezügelt vom Himmel. Die Scheibenwischer klacken geräuschvoll hin und her. Anke hat alles eingeschaltet, was man bei diesem Wetter einschalten kann.
Antibeschlag und Heizung auf Hochtouren. Angestrengt schaut sie auf die Rücklichter des vor ihr fahrenden Autos.
»Ich habe es dir ja gleich gesagt. Wir hätten den Zug nehmen sollen. Das wäre viel entspannter.« Marlies rutscht nervös auf ihrem Beifahrersitz hin und her. Schnellfahrer zischen auf der Überholspur an ihnen vorbei, Schneematsch spritzt hoch, versperrt kurzzeitig die Sicht. »Soll ich dich mal ablösen?« Anke reagiert genervt: »Gut gemeint, aber dazu brauchen wir erst einmal einen Parkplatz.« Das seit einer gefühlten halben Stunde vor ihr fahrende Auto mit einem niederländischen Kennzeichen überholt plötzlich ganz mutig das Winterdienstfahrzeug auf der dicht befahrenen Autobahn. Das Auto schlingert hin und her. Die gelbe Rundumleuchte des Dienstfahrzeuges ist in weißen Nebel eingehüllt. Marlies hat recht, sie hätten den Zug nehmen sollen … Kaum gedacht, da ist, wie zum Trost, ein Parkplatz in Sicht. Sie gönnen sich eine Pause und im Restaurant einen Capuccino. Als sie wieder ins Auto steigen, hat es aufgehört zu schneien. Marlies übernimmt das Steuer, legt eine Musikkassette ein, und fährt beschwingt und entspannt weiter. Auf der Mautstrecke leuchtet der Schnee wie ein großes silbernes Feld vor ihnen. Der Brennerpass, die Grenze zwischen dem österreichischen Bundesland Tirol und der zu Italien gehörenden Autonomen Provinz Bozen. Orte, in denen der Skisport im Mittelpunkt steht.
Die Dolomiten sind die schönsten Bauwerke der Welt, soll Reinhold Messner einmal gesagt haben, der wohl mehr Berge gesehen hat als kaum ein anderer. Und wer zum ersten Mal in die Dolomitenregion Drei-Zinnen kommt, wird dem Alpinisten sofort recht geben. Nichts zu groß oder übertrieben modern, sondern genau richtig, um einen entspannten Skiurlaub zu verbringen …
Es ist später Nachmittag, als sie im Urlaubsort ankommen. Unter dem Abendhimmel liegt die Welt wie frisch geputzt, Lichter funkeln inmitten der dichten Schneedecke wie von kristallenen Sternen übersät. Der Wirt der Pension empfängt sie mit einem Glas Limoncello – dem Zitronenlikör der Region. Er erhebt sein Glas: »Auf einen erholsamen Skiurlaub.« In ihrer Ferienwohnung steht sie dann mit der Freundin auf dem Balkon, atmet die frische Luft tief ein und aus, und schaut in die schneebedeckten Berge. Ein traumhafter Blick … Am nächsten Morgen geht es auf die Abfahrtspiste. Die Welt liegt vor ihnen wie frisch geputzt. Die Piste ist wenig befahren und sie genießen es, langsam ohne Eile hinunterzugleiten. Eine kleine Pause auf halber Strecke. »Wie in dem Märchen von der Schneekönigin«, ruft Anke, und zeigt auf eine kaum sichtbare Berghütte. Das Dach trägt ein dickes Polster aus Schnee. Schneewehen ringsum an den niedrigen Wänden, nur das Fenster schaut noch heraus, ein still leuchtender Fleck im dichten Weiß. Marlies kann sich nicht so leicht und locker daran erfreuen. Sie fürchtet sich vor der unbekannten steilen Abfahrtsstrecke, die vor ihnen liegt. Anke, die super tolle Skifahrerin, winkt kurz mit dem Skistock: »Wir sehen uns an der Talstation«, und fährt los. Marlies atmet tief durch, geht in die Hocke, stößt sich ab … Sie sieht den Steilhang zu spät. Um noch ausweichen zu können, hat sie die Linkskurve verpasst. Sie verliert die Balance, gerät in starke Rückenlage, die linke Skibindung geht auf. Sie rutscht mit dem rechten Ski meterweise den Hang herunter, findet schließlich irgendwo am Waldrand Halt. Beim Versuch, sich aufzurichten und die rechte Skibindung zu öffnen, rutscht sie noch einige Meter weiter in die Tiefe. Nun liegt sie im Schnee, mit nur einem Ski. Ihr Herz rast. Ihre Glieder zittern. Sie schaut in den Himmel, zwei Flugzeuge schlagen ein filigranes Kreuz in das strahlende Blau, sie prüft ihre Gelenke, es scheint alles okay. Sie sieht sich um, der linke Ski liegt weit oben in einem Schneeberg. Freundin Anke ist wahrscheinlich schon unten im Tal angekommen. Was nun? Sie ist verzweifelt. Doch da sieht sie, wie ein Skifahrer auftaucht, sich im Fahren nach unten bückt, ihren Ski aufhebt und im Hüftschwung zu ihr hingleitet. »Haben Sie sich verletzt? Kann ich helfen?« Er reicht ihr die Hand, sie steht auf: »Danke, alles okay.« Er hilft ihr beim Anlegen der Ski: Die Geste, das Senken des Kopfes. Wie er sich bückt, wie er ihr den Skistock übergibt, wie er beim Anschnallen hilft … Das erinnert sie an jemanden … »Immer schön links halten, da ist es nicht so steil«, ruft er noch, um dann wie eine Rakete davonzuschießen. ›Was war das jetzt …, ich kenne diesen Mann‹, denkt sie. Nun ja, durch Skihelm und Brille kann man sein Gesicht nicht genau sehen. Ein Phantom …? Verfolgt es mich immer noch – nach all den Jahren? Sie hatte gedacht, die Vergangenheit in die hinterste Schublade ihres Gedächtnisses gepackt zu haben. Ein Beben geht durch ihren Körper. Jede einzelne Erinnerung ist zurückgekehrt …
aus dem 2. Teil des Roman „Unebene Wege“(erscheint zur Buchmesse Leipzig 2025)